Julia Bestseller Band 145
Richtung Salim. Mach du’s, sollte die Geste besagen. Nein, du, bedeutete Tariqs Kopfschütteln. In der Zwischenzeit warf Salim einen Blick vom einen zum anderen.
„Also gut, raus mit der Sprache. Was macht ihr zwei hier in New York?“
„Wir sind, ähm, geschäftlich hier.“
„Blödsinn“, schnaubte Salim. „Wir sind zu lange befreundet, um solche Spielchen zu spielen. Also, noch mal, warum seid ihr hier?“
Und da erzählten sie es ihm. In kurzen, prägnanten Sätzen. Sie sagten, dass er seit dem Unglück nicht mehr derselbe wäre. Nein, das stimmte nicht. Eigentlich sei er nicht mehr derselbe, seit er sich im vergangenen Jahr von Grace Hudson getrennt hatte, und als er sich damals mit ihr traf, hatte er sie da nicht als seine Mätresse bezeichnet, als sie Grace seine Geliebte nannten, und jetzt vor nicht mal zehn Minuten, da war er derjenige gewesen, der sie korrigiert hatte!
Also, wer war diese Frau? Oder was war sie? Und was hatte sie getan, um ihn in einen solchen Zustand zu versetzen?
„Na schön“, erklärte Salim gepresst. „Schon gut. Ihr wollt die ganze hässliche Geschichte hören? Bitte, hier ist sie.“
Salim begann bei seiner ursprünglichen Affäre mit Grace und endete mit den Tagen auf Dilarang Island, wo ihm allmählich klar geworden war, dass sie nie in ihrem Leben auch nur einen Penny gestohlen haben konnte.
„Und dann ist mir alles klar geworden.“ Er sprach plötzlich so leise, dass Tariq und Khalil sich vorbeugen mussten, um ihn zu verstehen. „Ich habe sie geliebt. Von Anfang an. Himmel“, stöhnte er und schaute seine beiden Freunde an. „Ich habe sie angebetet.“ Pause. „Und das tue ich immer noch.“
Niemand sprach. Schließlich räusperte sich Tariq. „Nun, wo ist dann das Problem? Wenn du sie liebst …“
„Sie hasst mich.“ Salims Stimme klang rau. „Wer könnte es ihr verdenken? Anstatt meinem Gefühl zu vertrauen, habe ich ein vorschnelles Urteil gefällt.“
„Hast du versucht, mit ihr zu reden?“, fragte Khalil sanft.
Salim lachte bitter. „Ich muss ihr ungefähr ein Dutzend Nachrichten auf ihrem Anrufbeantworter hinterlassen haben.“
„Blumen? Süßigkeiten? Schmuck?“
„Ja, ja und nochmals ja. Sie hat alles gespendet. Ich hätte es mir denken können. Schon früher hat sie nie irgendwelche teuren Geschenke von mir annehmen wollen. Sie hat nicht viel für materielle Dinge übrig, versteht ihr?“
Ja, sie verstanden. Bei ihren Ehefrauen war es genauso.
„Aber sie hat geliebt, was ich ihr auf der Insel gegeben habe. Nun ja, das, von dem sie behauptete, ich hätte es ihr gegeben. Einen Himmel voller Sternschnuppen …“ Salims Worte verebbten. Sein Gesicht hellte sich voller Hoffnung auf. „Sterne“, murmelte er, „verdammt, ja, Sterne!“
Im nächsten Moment sprang er auf und ging um den Tisch, während Khalil und Tariq sich ebenfalls erhoben.
„Vielen Dank“, rief er glücklich.
Die beiden schauten erst einander verständnislos an, dann Salim.
„Wofür?“, fragte Tariq.
Salim grinste bis über beide Ohren. Er packte einen nach dem anderen und gab jedem einen schmatzenden Kuss auf die Stirn.
„Hey!“, protestierten die beiden und zuckten zurück.
Doch Salim war schon auf dem Weg zur Tür.
Warum lebte man in San Francisco?
Es hatte eine Zeit gegeben, in der Grace sich genau das gewünscht hatte, doch das war während eines kurzen Urlaubs gewesen. Jetzt, wo die Stadt ihre neue Heimat war, fiel ihr kein guter Grund mehr ein, hier wohnen zu wollen.
Es war Mitte Juni, und sie wickelte sich fester in ihren Regenmantel, während sie einen steilen Hügel erklomm. Dummerweise hatte sie ihrem Fahrer gesagt, sie würde ihn an diesem Abend nicht mehr brauchen. Der Wind, der von der Bucht herüberwehte, war genauso feucht und kalt wie sie selbst – nicht, dass sie sich in den letzten Monaten jemals wirklich warm gefühlt hätte. Wie sollte das auch möglich sein, wenn das Wetter so schlecht war und sie beinahe rund um die Uhr arbeitete, um keine Zeit zum Nachdenken zu haben?
Eine Lüge.
Leider hatte sie mehr als genug Zeit zum Nachdenken. Nacht für Nacht lag sie wach und dachte an das, was ihr widerfahren war. Was zwei Männer ihr angetan hatten – der eine, der dafür gesorgt hatte, dass sie wie eine Diebin aussah, und der andere, der sie so tief verletzt hatte, dass sie endgültig an die Existenz gebrochener Herzen glaubte.
Shipley zahlte wenigstens den Preis für seine Taten. Er saß im Gefängnis und würde dort so
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