Julia Collection Band 51
belogen.
Als Sophia die volle Bedeutung seines Geständnisses aufging, war ihr, als habe jemand ihr einen Schlag in die Magengrube versetzt. Während der fünf Monate, in denen sie für Michael Barrington arbeitete, hatte sie geglaubt, er lebe in Deutschland. Dabei befand er sich die ganze Zeit hier, direkt vor ihrer Nase.
Er hatte mitbekommen, wie sie Olivia erzählte, dass sie ihn heiraten wollte, und er hatte ihre verliebten Kritzeleien gesehen. Schließlich hatte sie ihm sogar noch verraten, dass er ihr leidtat, weil er ein so sinnloses Leben führte.
Sophias Wangen brannten.
Aber, tröstete sie sich, hat er sich das nicht selbst zuzuschreiben, wenn er seine wahre Identität verbirgt? Sie hatte keinen Grund sich zu schämen, wenn er herumspionierte und wenig Schmeichelhaftes zu hören bekam.
Erinnerungen erwachten: die Fahrt auf dem Motorrad, der Abend, als sie Pizza im Büro bestellten. Sein Versprechen, zum Firmen-Picknick zu kommen. Zweifellos hatte er sich den Dreibein-Lauf ausgedacht, um mit ihr zusammen ein Paar zu bilden.
Was für eine Frechheit!
Und wie sollte sie seine Liebeserklärung bewerten? War auch sie eine Lüge?
Ihre Scham wich dem aufsteigenden Zorn. Mikes Verhalten war unfassbar, wenn nicht sogar unverschämt.
„Du … du …“, begann Sophia stotternd, unfähig zu beschreiben, was er ihr angetan hatte.
In diesem Augenblick ging die Beleuchtung wieder an und tauchte sie in blendendes Licht.
Sophia blinzelte. Sie hatte die Hände zu Fäusten geballt und kniete noch auf der Babydecke, die, zu einem Knäuel zusammengeschoben, unter ihnen lag. Nicht weit davon lag auch ihre Handtasche und die Verpackung der Decke.
Mike, nein, Michael, hockte gleich neben ihr, das Haar zerzaust, die Knöpfe seines Hemdes geöffnet. Der Abdruck ihres Lippenstifts schmückte seine Wangen und sein Kinn.
„Es tut mir leid, Sophia“, begann er. „Auf diese Weise sollte es auf gar keinen Fall geschehen.“ Er stand auf und streckte ihr eine Hand entgegen.
Aber Sophia hatte genug. Sie schob seine Hand beiseite. Eine Entschuldigung konnte weder das Unrecht wieder gutmachen noch ihr gebrochenes Herz heilen.
In ihren Augen hatte Michael Barrington die größte Sünde begangen, die man begehen konnte. Er hatte sie belogen. Wie ihr Vater ihre Mutter belogen hatte. Wie konnte sie hoffen, diesem Mann jemals zu vertrauen?
Sophia konnte es nicht ertragen, ihn anzuschauen. Sie wagte nicht, daran zu denken, dass sie beinahe mit ihm geschlafen hätte.
Ihre Mutter hatte recht. Von Anfang an. Männern war nicht zu trauen. Sie waren schmutzige, niederträchtige, heuchlerische Untiere. Und Michael Barrington war der Schlimmste von allen.
Sie atmete schwer. Ihre Bluse stand offen, ihr BH hing herab, ihr Rock war zerknittert. Mit zitternden Händen brachte sie ihre Kleidung in Ordnung.
Plötzlich setzte sich der Aufzug in Bewegung.
Die Tür öffnete sich.
Sophia und Michael blickten auf. Vor ihnen standen Rex Barrington, Mildred Van Hess, Sophias Mutter und Stanley Whitcomb.
„Sophia?“ Jannette klopfte behutsam an die Schlafzimmertür ihrer Tochter. „Was ist los?“
„Ich möchte nicht darüber sprechen.“
„Schatz, bitte lass mich herein. Ich kann es nicht ertragen, wenn du so traurig bist.“
„Du wirst mir nur vorwerfen, du hättest mich gewarnt.“
„Hältst du mich wirklich für so herzlos, Sophia?“
Seufzend stand Sophia aus ihrem Bett auf und öffnete ihre Tür. Mit sorgenvoller Miene rollte ihre Mutter in ihrem Rollstuhl in den Raum und breitete die Arme aus. Sophia sank auf die Knie und ließ sich von ihrer Mutter umarmen.
„Es wird wieder gut, Liebes“, tröstete Jannette und strich Sophia übers Haar. „Das verspreche ich dir.“
„Du hattest ja so recht“, sagte Sophia. „Mike hat mir wirklich Ärger bereitet.“
„Hör mal, Liebes, deswegen brauchst du dich nicht zu schämen. Das würde jedem passieren. Selbst die stärkste Frau würde den Kopf verlieren, wenn sie stundenlang im Aufzug eingesperrt ist mit einem Mann, der solche Leidenschaft zu wecken versteht.“
Schockiert blickte Sophia Jannette an. „Und du willst meine Mutter sein?“
„Ich weiß. Damit mache ich eine Wendung um hundertachtzig Grad.“
„Mein Leben lang hast du mir solche abscheulichen Geschehnisse vorausgesagt, wenn ich einmal nur der Leidenschaft folgen würde. Was hat dich so nachsichtig werden lassen?“
Ein leises Lächeln umspielte Jannettes Lippen. „Seit ich Stanley Whitcomb kennengelernt
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