Julia Collection Band 51
habe, musste ich viel nachdenken. Er ist ein besonders empfindsamer Mensch. Rechtschaffen und aufrichtig. Jemandem wie ihm bin ich nie zuvor begegnet.“
„Mom.“ Sophia starrte ihre Mutter an. „Was sagst du da?“
Jannette winkte ab. „Keine falschen Schlüsse, Honey. Stanley und ich sind nur Freunde. Aber er ist der erste Mann in meinem Leben, mit dem ich mich gern unterhalte. Für eine Frau von sechsundvierzig klingt das zwar traurig. Aber ich selbst ließ es zu, dass Bitterkeit mein Leben regiert hat, dass die Erfahrungen mit deinem Vater meine Meinung über die Männer beeinflussten. Damit schadete ich mir, und später auch dir.“
„Du weißt nicht, Mom, wie sehnsüchtig ich darauf warte, das von dir zu hören.“ Sophia umarmte Jannette. „Bist du sicher, dass deine Beziehung zu Stanley nur freundschaftlicher Art ist? Du hast eine Menge zu bieten, wenn du es nur zulässt.“
„Darüber zu spekulieren, wäre zu früh. Sagen wir, ich habe einen neuen Freund.“
„Ich freue mich für dich. Stanley ist ein prima Kerl.“
Jannette lächelte. „Richtig. Aber was ist dran an der Geschichte, dass Mike in Wahrheit Michael Barrington ist?“
„Michael arbeitete verdeckt bei Barrington als Mike, der Postmann, um die Angestellten zu testen.“
„Für mich klingt das nach einem Spionagefilm.“
„Mom, er ist ein Lügner.“
„Liebst du ihn?“
„Das weiß ich nicht mehr. Er ist nicht der Mann, für den ich ihn gehalten habe.“
„Du bist neunundzwanzig, Sophia. Du darfst jetzt deine eigenen Fehler machen.“
„Himmel“, stöhnte Sophia. „Wenn ich Fehler mache, dann aber auch richtig.“
„Ich habe bei deiner Erziehung vieles falsch gemacht“, räumte Jannette ein. „Ich war zu streng und habe dir mit meinen Fehlern die Kindheit verdorben.“
„Oh Mom, meine Kindheit war gut.“
„Wirklich?“
„Ich wusste immer, dass du mich liebst.“ Sophia küsste ihre Mutter auf die Wange.
„Was wirst du also Mikes wegen unternehmen?“
„Ich kann auf keinen Fall mehr für ihn arbeiten.“
Sie liebte Mike noch. Wie falsch er auch gewesen sein mochte, Sophia konnte die Gefühle nicht vergessen, die er in ihr geweckt hatte. Doch wie sollte sie weiter für einen unaufrichtigen Mann arbeiten oder eine gemeinsame Zukunft in Betracht ziehen, wenn ihm die wichtigste aller positiven Charaktereigenschaften fehlte?
„Aber du liebst deinen Job“, protestierte Jannette.
„Es gibt andere Jobs.“
„Lass dir Zeit. Denk darüber nach.“
„Ich habe keine Wahl, Mom. Ich kann einfach nicht in Michaels Nähe sein. Morgen reiche ich meine Kündigung ein.“
Ich habe alles zerstört.
Michael wusste, er hätte keine ungünstigere Gelegenheit wählen können, seine wahre Identität zu offenbaren. Er hatte die Situation so schlecht gehandhabt, dass Sophia wahrscheinlich nie wieder ein Wort mit ihm sprechen würde – geschweige denn ihm eine zweite Chance geben.
Er hätte ihr früher sagen müssen, dass er Michael Barrington war. Aber zuvor musste er doch wissen, ob sie ihn liebte und nicht sein Geld. Zu feige, ein Risiko einzugehen, hatte er gewartet. Jetzt war es kaum denkbar, dass Sophia ihm seinen Betrug verzieh.
Sie fühlte sich verletzt. Michael konnte ihr ihre Reaktion nicht verübeln. Er war ein Lügner. Wie wohl die Angestellten reagierten, wenn am nächsten Tag die Wahrheit ans Licht kam? Die meisten würden sich betrogen und benutzt fühlen.
Nach dem peinlichen Ereignis im Aufzug hatte Mike sofort die Firma verlassen und war auf seinem Motorrad durch das nächtliche Arizona gefahren. Der warme Wind streichelte seine Haut. Es war drei Uhr morgens.
Er sah jetzt, dass seine Charade ein Fehler gewesen war. Obgleich er doch nur herausfinden wollte, ob die Firma Barrington in Top-Form war. Es tat ihm weh zu wissen, dass er dabei Sophias Gefühle tief verletzt hatte.
Ähnliche Gewissensqualen hatte Mike seit dem Tod seiner Mutter nicht mehr empfunden, obwohl ihn damals keinerlei Schuld traf. Die Angelegenheit mit Sophia war jedoch sein Machwerk. Zu tadeln war nur er.
Mike hatte ihr das Herz gebrochen, das bereute er am meisten. Sophia war ein lieber, warmherziger Mensch. Sie verdiente Liebe und Respekt. Stattdessen hatte er seine eigenen Gefühle schonen und deshalb mit ihrer Zuneigung spielen wollen.
Seine Unfähigkeit zu vertrauen, hatte ihm diese Niederlage beschert. Sein Vater hatte recht.
Das soll’s gewesen sein, Barrington? Du willst einfach aufgeben? forderte ihn eine innere
Weitere Kostenlose Bücher