JULIA EXTRA BAND 0272
klang mit einem Mal eine Oktave höher. „Für wen hältst du dich?“
Dante kniff die Augen zusammen. Als er auf sie zuging, wich sie einen Schritt zurück.
„Ich kann dir genau sagen, wer ich bin“, sagte er gefährlich leise. „Ich bin Dante Russo, und wer mich kennt, vergisst mich nicht.“
„Dante. Ich meine ja bloß …“
Er zog sie am Arm einen kleinen Treppenabsatz hinunter und vom Hof auf die Straße, wo er sie in das erstbeste Taxi setzte, dem Fahrer einen Hundertdollarschein in die Hand drückte und ihm Charlottes Adresse nannte.
„D…Dante“, stammelte Charlotte, „wirklich, es tut mir leid …“
Ihm tat es auch leid, allerdings nicht, was eben passiert war. Ihm tat leid, dass er drei Jahre mit einer Lüge gelebt hatte, indem er sich einredete, er sei mit Taylor fertig.
Taylor Sommers hatte ihn zum Idioten gemacht. Damit kamkeiner bei ihm durch. Er zog sein Handy aus der Jackentasche und rief seinen Fahrer an. Als der Mercedes wenig später am Bordstein hielt, stieg Dante hinten ein und wählte wieder eine Nummer. Trotz der späten Stunde meldete sich sein Anwalt gleich nach dem ersten Läuten.
„Ich brauche einen Privatdetektiv“, kam Dante ohne lange Vorrede zur Sache. „Nein, nicht als Erstes am Montag. Morgen. Sagen Sie ihm, dass er mich zu Hause anrufen soll.“
Drei Jahre waren vergangen. Na und? Sagte man nicht, dass Rache eine Speise sei, die kalt am besten schmeckte?
Um Dantes harten Mund zuckte ein angespanntes Lächeln. So war es.
Es war ein langes Wochenende.
Charlotte hinterließ ihm endlose Nachrichten auf dem Anrufbeantworter, mal weinend, mal fordernd, und er löschte sie alle.
Am Samstagmorgen meldete sich der Privatdetektiv, mit dem sich Dantes Anwalt in Verbindung gesetzt hatte. Der Mann wollte Einzelheiten über Taylor wissen.
„Ihr Name ist Taylor Sommers“, begann Dante. „Damals lebte sie in Stanhope, Gramercy Park. Von Beruf ist sie Innenarchitektin.“
Es blieb eine Weile still.
„Und?“, fragte der Mann schließlich.
„Was und? Reicht das nicht?“
„Nun, ich könnte zum Beispiel die Namen ihrer Eltern brauchen und die von Freunden. Ihr Geburtsdatum. Wo sie aufgewachsen ist. Welche Schulen sie besucht hat.“
„Mehr weiß ich nicht“, antwortete Dante eisig. Dann legte er den Hörer auf, durchquerte sein Schlafzimmer und trat auf die Dachterrasse seines Penthouses in Central Park West. Draußen war es schneidend kalt. In dieser Höhe fegte der eisige Wind um die Ecken des Gebäudes. Und über Nacht hatte es geschneit, nicht viel, aber genug, um den Park in jungfräuliches Weiß zu hüllen.
Dante runzelte die Stirn.
Der Privatdetektiv war überrascht gewesen, dass Dante so wenig über Taylor wusste, aber warum hätte er mehr wissen sollen? Ihm hatte es damals gereicht, dass sie hübsch war, leidenschaftlichund obendrein intelligent. Was brauchte ein Mann mehr?
Obwohl es intimere Momente zwischen ihnen durchaus gegeben hatte. Wie damals, als er sie zu einem späten Abendessen mit nach Hause gebracht hatte. In jener Nacht hatte es ebenfalls geschneit. Er zog sich kurz zurück, um ein unaufschiebbares Telefonat zu führen. Bei seiner Rückkehr fand er sie auf der Terrasse vor, genau da, wo er jetzt stand.
Ihr seidenes Kleid war so dünn, dass er ihr sein Jackett um die Schultern legte.
„Was machst du hier draußen, cara? Du wirst dir noch den Tod holen.“
„Ja, ich weiß, aber es ist so wunderschön.“ Während sie das sagte, kuschelte sie sich in seine Jacke und schmiegte sich an ihn. „Ich liebe solche Nächte.“
Ihn erinnerten so kalte Nächte immer an die eisigen Winter in Palermo und daran, wie er seine Schuhe mit Zeitungspapier ausgestopft hatte, in der vergeblichen Hoffnung, dass sie auf diese Weise mehr wärmten.
Aus irgendeinem unerfindlichen Grund hätte er ihr in diesem Moment fast davon erzählt. Aber so idiotisch war er natürlich nicht, stattdessen küsste er sie lieber.
„Falls du es schaffst, deine Vorliebe für Kälte und Schnee vorübergehend zu vergessen, könnten wir demnächst mal übers Wochenende in die Karibik fliegen“, sagte er mit einem kleinen Lächeln. „Ein paar Häuser besichtigen. Ich trage mich nämlich schon seit einer Weile mit dem Gedanken, mir dort irgendwo ein Haus zu kaufen.“
„Ja, gern“, hatte sie erfreut zugestimmt. „Sehr gern sogar.“
Im selben Moment ging ihm jedoch auf, dass er einen Fehler gemacht hatte. Er hatte sie eingeladen, einen Schritt in sein Leben zu tun, ohne
Weitere Kostenlose Bücher