Julia Extra Band 0349
konnte sie ihn nur eine begrenzte Zeit beschäftigen. Sie hatte nicht die Absicht, stundenlang im Dunkeln zu liegen und zu … reden.
„Wie wäre es dann, wenn ich dich heute Nacht begleite?“
Honor erstarrte. Warum musste er es zu weit treiben? Sie verbrachte jeden Tag so viel Zeit mit ihm. Was verlangte er denn noch?
„Es ist wirklich einfacher, wenn ich das allein mache.“
Ihr Ton war wohl etwas zu hart gewesen, denn für den Bruchteil einer Sekunde gelang es Rob nicht, seine Verärgerung zu verbergen. Dann kniff er nachdenklich die Augen zusammen, und Honor wappnete sich für seine nächste Taktik.
„Also treffen wir uns wohl später wieder.“
„Du hast etwas zu erledigen?“ Ihre Wache begann erst in zwei Stunden. Honor schwankte zwischen Erleichterung und Enttäuschung.
„Ich denke, ich sollte anfangen, meine Ausrüstung zurück ins Boot zu packen. Da es bis jetzt nicht gesunken ist, passiert es wahrscheinlich auch nicht mehr.“
Packen.
Abfahren.
Zum ersten Mal seit jenem ersten Tag erwähnte einer von ihnen die Ankunft des Versorgungsschiffs.
„Oh. Brauchst du Hilfe?“ Honor hörte selbst, wie widerstrebend es klang. Wie konnte sie nicht wollen, dass Rob blieb, aber nicht wollen, dass er wegfuhr?
„Nein, danke. Das Training wird mit guttun.“
Ihren schmerzenden Muskeln nach zu urteilen, waren die drei vergangenen Tage ein intensives Fitnesstraining gewesen: Sie hatten in ihrer gemeinsamen Zeit außer Küssen nichts anderes getan als Schwimmen, Schnorcheln und Laufen. Dass Rob noch mehr Bewegung brauchte, sprach Bände. Der Mann war hart wie Granit.
„Dann sehen wir uns morgen früh. Ich … lese eine Weile.“ Es machte Honor wütend, dass sie sich so beraubt fühlte bei dem Gedanken, nichts zu tun zu haben, wenn Rob nicht da war. Sie hatte vier Jahre allein hier draußen überlebt, und sie würde noch viel länger überleben müssen, nachdem er die Insel verlassen hatte. Vielleicht war es an der Zeit, alte Gewohnheiten wiederaufzunehmen.
Rob wartete, bis Honor in ihrem Zelt verschwunden war, bevor er sich umdrehte und zur Lagune ging, um sich abzuregen. Honor entglitt ihm. Er merkte, dass es passierte, und dennoch konnte er nichts dagegen tun. Je fester er sie zu halten versuchte, desto schneller schlüpfte sie ihm durch die Finger.
Nur wenn sie zusammen im Zelt lagen und einander küssten, hatte er den Eindruck, sie im Griff zu haben. Tatsächlich hielt sie sich dort an ihm fest. Wie an einer Rettungsleine.
Er war nicht dumm. Er wusste, dass Honor sich zum ersten Mal seit dem Tod ihres Mannes und ihres Sohnes mit jemandem einließ. Dass er derjenige war, der sie dazu angeregt hatte, den Sprung zu wagen, elektrisierte Rob. Es bedeutete, dass sie sich wirklich zu ihm hingezogen fühlte. Er sich zu ihr mit Sicherheit.
Nur hatte er sehr wohl bemerkt, dass Honor ihn zwar bereitwillig küsste, aber nichts von sich preisgab. Bei allem, was über Small Talk hinausging, wurde sie sogar geradezu unnahbar.
Ungeduldig riss Rob die Plastikplane von der elektronischen Ausrüstung, die am Strand lag. Ohne Hilfe brauchte er über eine Stunde, das Schlauchboot ins Wasser zu bekommen und zu beladen, dann schwamm er aufs Riff zu und zog das Boot hinter sich her.
Honor wollte nichts weiter von ihm, als ihn zu küssen, so viel war klar. Ihr jüngstes Gespräch war unerträglich gewesen. Es hatte ihn an die Gespräche erinnert, die seine Eltern führten. Vorsichtige, hohle Worte. Man sagte etwas und meinte etwas anderes. Seine Eltern deuteten sich gegenseitig richtig, doch Rob hatte als Kind Jahre gebraucht, um das eigentlich Gemeinte herauszufinden.
Jetzt wusste er Bescheid, wenn er es hörte.
Honor benötigte Freiraum. In genau derselben Lage war Rob selbst schon ein- oder zweimal gewesen. Bei Frauen, die ihn zwar sexuell, aber nicht gefühlsmäßig interessiert hatten. Frauen, denen er sich einfach nicht ernsthaft hatte widmen wollen. War es das, was hier vorging? Es brachte ihn fast um, dass Honor ihn nur körperlich begehrte, während er sich danach sehnte, zu erfahren, ob sie in ihrer Jugend eine Zahnspange getragen hatte und welche Sorte Frühstücksflocken sie am liebsten gemocht hatte.
Kopfschüttelnd stemmte Rob sich aufs Riff hoch, das Halteseil des Schlauchboots fest in der Hand.
Als Honor sein Angebot abgetan hatte, heute Nacht zusammen mit ihr die Schildkröten zu beobachten, hatte er sich auf die Zunge beißen müssen. Sein Stolz hatte ihn zum Schweigen gebracht. Zweifellos
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