Die Tote im Maar - Eifel Krimi
Wochen zuvor
Es war ein schöner Frühlingstag, blühende Bäume um mich herum, und die allmählich ansteigenden Temperaturen, die vielleicht schon den bald nahenden Sommer einläuteten.
In meinem Herzen herrschte jedoch eine eher winterlich-ängstliche Kühle.
Mein Vater war seit zwei Jahren tot, und Stöbern war nicht meine Absicht gewesen, eigentlich hatte ich nur eine Adresse gesucht und mir gedacht, in seinem Verzeichnis würde ich sie bestimmt finden.
Ich hatte auch etwas gefunden, aber ganz und gar nicht das, wonach ich gesucht hatte. Die Visitenkarte jagte mir einen Schauer über den Rücken, und die dazugehörige Person erwartete mich jetzt in der Praxis in Trier.
Die grünen Hügel der Eifel flogen an uns, meinem Mini und mir, vorüber, teils bewaldet, teils von Weinbergen durchzogen. Das feucht-milde Atlantikklima zauberte zahlreiche Bäche in die Landschaft.
Ich hatte mich in meiner Heimat immer geborgen gefühlt und nicht einmal in Betracht gezogen, dass es einmal anders sein könnte, doch jetzt riss der Kokon auf.
Dr. med. Konstantin Höllrath – Psychiater.
Mir sagte der Name nichts, also musste er meinem Vater etwas gesagt haben. Psyche, das brachte ich immer mit der unsterblichen Seele in Verbindung und mit Problemen. Was könnten das für Sorgen und Probleme gewesen sein, hatte ich mich gefragt, doch bevor ich mich nur fragte und keine Antwort erhalten würde, hatte ich unter der Telefonnummer angerufen. Ich bat nicht um einen Termin, nur um ein Gespräch, was für den Analytiker geklungen haben musste, als würde ich um den heißen Brei herumreden. Sei‘s drum.
Konstantin Höllraths Praxis lag am Kornmarkt in Trier, unweit vom Georgsbrunnen. Der Mini passte in eine kleine Parklücke in einer der Seitenstraßen, und ich überlegte, ob ich mich vielleicht nach meinem Nicht-Termin in eines der Cafés setzen sollte.
Augenblicklich fühlte ich mich allerdings ein wenig wie eine der Brunnenfiguren. Der heilige Georg thronte auf dem Obelisken, sein Speer steckte im Leib des Drachen. Welchem imaginären Drachen würde ich gleich begegnen?
Ich hatte die Wahl, Aufzug oder Treppe, und wählte die Treppe.
Die Praxisräume waren freundlich und hell, die Bilder an den Wänden hatten etwas von naiver Malerei, was mir ganz gut gefiel, weil es nicht gestellt wirkte.
Doch ich hatte etwas Gestelltes, denn ich wollte dringend etwas wissen und konnte mir denken, dass der Arzt, dem ich gleich gegenüberstehen würde, mir nichts über einen Patienten sagen würde, auch nicht wenn ich seine Tochter war.
Konstantin Höllrath war groß, dunkelhaarig und an den Schläfen leicht ergraut. Er trug eine cremefarbene Leinenhose zu einem dunkelgrünen Polohemd. Meiner Schätzung nach musste er Mitte fünfzig sein.
Er wirkte nicht wie einer, der alle Antworten parat hatte, aber wie einer, der zuhören konnte – vielleicht waren es auch die leicht abstehenden Ohren, die diesen Eindruck vermittelten.
Sein Händedruck fühlte sich fest an, als er mich begrüßte. Meine Hand verschwand für ein paar Augenblicke vollkommen in seiner.
»Es geht nicht um mich …«, begann ich, als er mich in sein Sprechzimmer bat. Die typische Couch, die man sich vorstellte, gab es nicht, aber bequem aussehende cognacfarbene Ledersessel – zwei davon. Vielleicht für die gefühlte Gleichstellung von Arzt und Patient.
Konstantin Höllrath deutete auf den einen und nahm in dem anderen Platz.
»Mein Vater hatte Ihre Visitenkarte in seinem Adressbuch. Roman Friedrich, vom Bestattungsinstitut in Schalkenmehren.« Gerade dachte ich mir, wie dämlich sich das anhören musste und warum ich es überhaupt gesagt hatte, ich hätte mir besser ein paar Sätze zurechtgelegt. Etwas Sinnvolleres. Außerdem hatte ich den Namen meines Vaters schon am Telefon erwähnt. Auf Konstantin Höllraths aufgeräumtem Schreibtisch lag eine Karteikarte. Nicht sehr umfangreich, dachte ich und war ein kleines bisschen erleichtert.
»Ihr Vater hat mich einige Male aufgesucht. Aber er war keiner meiner Patienten. Möchten Sie mit mir reden?«, fragte er mich. »Isabel, richtig?«
Die Sonne war ein Stückchen weitergewandert, und der Drachentöter auf seinem Obelisken warf einen langen Schatten, als ich Konstantin Höllraths Praxis verließ. Hatte ich vorher noch mit einer Süßigkeit in einem Café geliebäugelt, wollte ich jetzt nur noch nach Hause. Meine Augen waren gefährlich nahe daran zu fluten und ich gefährlich nahe daran überzuschnappen.
Auf der
Weitere Kostenlose Bücher