Julia Extra Band 356 - Ebook
anfangen sollte.
8. KAPITEL
Martha wusste, sie konnte nicht einfach zu einer nüchtern-kalten Erklärung ansetzen. Sie musste vorsichtig und behutsam vorgehen. Sie hoffte, dass vor allem Letzteres ihr gelingen würde.
Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht und blickte starr auf die Wand, weil sie es nicht wagte, Carlos anzusehen.
„Jungfrauen klammern“, hob sie unsicher an. „Warum hast du das gesagt? Wie kommst du auf die Idee?“
„Ich weiß es.“ Er legte sich rastlos um. Die Ungeduld in seinem Ton bewies, für wie belanglos er dieses Thema hielt.
„Woher?“, hakte sie nach. „Was ist passiert? Wer hat dich dazu gebracht, so etwas zu denken?“
So düster und verschlossen, wie seine Miene plötzlich wurde, dachte Martha schon, dass er ihre Frage ignorieren würde. Doch dann zuckte er gleichgültig die Schultern, als würde er die Frage und auch seine Erinnerungen als unwichtig abtun.
„Ich war gerade achtzehn geworden. Auf dem College gab es ein Mädchen …“ Er sah zum Fenster hinaus auf die dunklen Konturen der Bergkette, die sich gegen den Horizont abhob. „Ich wollte mich amüsieren und dachte, für Ella wäre es genauso. Sie war ein Jahr älter als ich und behauptete, bereits Erfahrung zu haben. Wie sich herausstellte, hatte sie die nicht.“ Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Die Beziehung mit ihr endete ziemlich schnell, aber sie bildete sich ein, in mich verliebt zu sein. Und ließ sich nicht davon abbringen, dass ich auch in sie verliebt sein müsste. Sie machte mir das Leben zur Hölle, stellte mir nach. Lag in meinem Bett, wenn ich von den Seminaren nach Hause kam, erzählte jedem, wie gemein ich sie behandelte. Einmal tauchte sie sogar auf El Cielo auf. Sie drohte damit, sich die Pulsadern aufzuschneiden. Sie schnitt sich mit einem Messer und behauptete, ich hätte ihr das angetan … Alles, weil sie mich angeblich so sehr liebte. Vielleicht stimmte das ja sogar.“
Bei seiner Erzählung hatte Martha ihn entsetzt angesehen, doch jetzt schüttelte sie entschieden den Kopf. „Nein, das ist keine Liebe. Wenn man liebt, wünscht man sich das Beste für den anderen, wünscht sich, dass seine Träume für ihn in Erfüllung gehen. Jemanden zu verfolgen, ihm das Leben schwer zu machen, Drohungen auszustoßen … das nennt man Stalking.“
Und genau das würde sie im Kopf behalten müssen. Deshalb musste sie Carlos’ Antrag ablehnen, denn er hatte ihr die Ehe nur aus einem tief sitzenden Pflichtgefühl wegen des Babys angeboten. Sie hatte sich geschworen, dass sie nicht klammern würde. Sie würde gehen und ihn sein Leben in Frieden und Ruhe weiterleben lassen, so wie er es wollte …
Auch wenn sie ihn liebte, wahrhaft und tief. Die Erkenntnis mochte als Schock gekommen sein, doch es gab keine Zweifel mehr. Irgendwann in den letzten Tagen, vielleicht sogar schon früher, hatte sie ihr Herz an Carlos Diablo verloren. Carlos, der Teufel. Der Mann, der plötzlich und unerwartet in ihrem Leben aufgetaucht war und eine Leere gefüllt hatte, eine Leere, die ihr fast zur zweiten Haut geworden war. Liebe war so viel mehr als der Wunsch nach Sicherheit oder das Bedürfnis, geliebt zu werden. Dieses Bedürfnis hatte sie glauben lassen, die Ehe mit Gavin wäre das Richtige.
Was für eine Närrin sie doch gewesen war! Die Emotionen, die sie mit Carlos erlebte, ließen sogar ein wenig Verständnis für das aufkommen, was Ella damals im Kopf umhergegangen sein musste. Aber einen solchen Weg würde sie nie beschreiten. Wenn er keine Liebe für sie empfand, würde sie ihn nicht zwingen können. Sollte sie tatsächlich dumm genug sein, es zu versuchen, würde er sie nur verabscheuen, so wie er damals die junge Ella verabscheut hatte. Das Gefühl saß zu tief bei ihm und Martha würde die Leidtragende sein. Aber wie sollte es eine Zukunft für sie beide geben, wenn er sie hasste? Um des Kindes willen würden sie sich verständigen müssen, denn unter keinen Umständen würde sie zulassen, dass ihr Baby zum Spielball der Eltern wurde.
Martha drehte sich zu ihm, rutschte an ihn heran, sodass sie fast Stirn an Stirn lagen. „Das war keine Liebe, sondern Besessenheit. Stalker haben keine Liebe zu geben, sie wollen auch keine. Sie sind allein von ihrem Besitzanspruch beherrscht.“
Irgendetwas geschah mit ihm, sie sah es an seinen Augen, daran, wie sich seine Züge veränderten.
„Ich hatte Angst davor, was sie noch alles tun würde“, sagte er leise. „Dass sie das Verhältnis zwischen mir
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