Julia Extra Band 357
konservativen Outfits auftreten musste. Seine Frau, dachte sie ungläubig und erinnerte sich an die vergangene Woche, als sie Steve in dessen Wagen geküsst hatte. Wie hatte ihr Leben sich in so kurzer Zeit derart verändern können?
Sie tröstete sich allerdings mit dem Gedanken, dass sie nur eine Rolle spielte. Und als sie wenig später in den luxuriösen Privatjet stieg und sie die unverhohlene Neugier in den Augen der Crew bemerkte, wurde ihr endgültig klar, dass diese Rolle wirklich enormes schauspielerisches Talent erforderte. Statt ihre hochhackigen Pumps abzustreifen und es sich in einem der cremefarbenen Ledersessel bequem zu machen, setzte sie sich aufrecht hin und bemühte sich zum ersten Mal in ihrem Leben, Haltung zu bewahren.
Kurz nach dem Start stand ihr frisch gebackener Ehemann auf und legte eine Akte vor ihr auf den Tisch. „Ich habe meine Mitarbeiter gebeten, das hier für dich zusammenzustellen.“ Er schlug sie auf. „Du findest darin alle Fotos und Namen der wichtigsten Mitglieder beider Königshäuser und anderer bedeutender Personen in beiden Ländern sowie weitere wichtige Informationen …“
„Hausaufgaben“, bemerkte Ruby zuckersüß. „Und ich dachte, das hätte ich hinter mir, seit ich nicht mehr zur Schule gehe.“
„Der Neubeginn dürfte leichter für dich sein, wenn du gut vorbereitet bist.“
Sie konnte sich die vielen Namen und Gesichter kaum merken, und die Ausführungen über die Geschichte, Geografie und Kultur in beiden Ländern waren keine einfache Lektüre. Nach dem Mittagessen machte Ruby eine Pause und beobachtete, wie Raja am Laptop arbeitete. Noch immer konnte sie nicht fassen, dass er jetzt ihr Ehemann war. Er hatte unglaublich lange Wimpern, und wenn er sie mit seinen glutvollen Augen anblickte, fiel ihr das Atmen schwer. Er sah so fantastisch aus, dass sie ihn einfach anstarren musste. Aber das hätte jede normale Frau getan. Dabei war er eigentlich gar nicht ihr Typ.
Nach einer Weile verließ er die Kabine, um sich umzuziehen, und kehrte in einem altweißen Kaftan zurück. Um den Kopf trug er ein Tuch mit einer schwarzen und goldfarbenen Kordel.
„Du siehst wie ein Schauspieler aus einem alten Schwarz-Weiß-Film aus, der in der Wüste spielt“, gestand Ruby, fasziniert von seiner Verwandlung.
„So etwas solltest du in Najar nicht sagen, denn es ist dort die traditionelle Kleidung der Männer“, riet er ihr trocken. „Zu Hause pflege ich keinen westlichen Lebensstil.“
Verlegen errötete sie und strafte ihn mit einem wütenden Blick. „Und du hast auch keinen Sinn für Humor.“
Sein Aufzug hatte allerdings auch nichts Lustiges. Raja wirkte nicht nur würdevoll und königlich, sondern war darin noch attraktiver. Seine Aussage, dass er zu Hause keinen westlichen Lebensstil pflegte, machte ihr jedoch Angst, und Ruby fragte sich, welche Überraschungen noch auf sie warteten.
Wenige Minuten später teilte er ihr mit, dass sie in einer halben Stunde in Najar landen würden. Als Ruby aus dem Bad zurückkehrte, wo sie sich frisch gemacht hatte, informierte er sie lässig, dass sie sich gleich nach der Ankunft trennen würden. Sie sollte nach Ashur weiterfliegen, und er würde in einigen Tagen nachkommen.
Ruby war schockiert. „Ich soll ganz allein nach Ashur weiterreisen?“, fragte sie entsetzt.
„Wir sehen uns spätestens in sechsunddreißig Stunden. Leider kann ich nicht an zwei Orten gleichzeitig sein.“
„Selbst in unserer Hochzeitsnacht?“, konterte sie.
Daraufhin klappte er seinen Laptop zu und warf ihr einen Blick zu, unter dem ihr ganz heiß wurde. „Soll das ein Angebot sein?“
Einen Moment lang herrschte spannungsgeladenes Schweigen. Ihr brannten die Wangen, als sie aufstand. „Natürlich nicht!“
„Das dachte ich mir. Also, wo ist das Problem? Wir werden das Datum unserer Hochzeit nicht öffentlich bekannt geben. Also weiß kaum jemand, dass dies unsere Hochzeitsnacht ist.“
Beinah hätte sie geschrien, denn seine gleichgültige Reaktion auf ihre Kritik brachte sie auf die Palme. Ruby atmete tief durch, um sich zu beruhigen. „Du fragst mich, wo das Problem ist? Soll das ein Witz sein?“
Geschmeidig erhob Raja sich von seinem Sitz und betrachtete sie kühl. „Selbstverständlich nicht.“
„Und du findest nichts dabei, wenn du mich einem Haufen Fremder in einem anderen Land überlässt? Ich kenne dort niemanden, spreche die Sprache nicht und weiß nicht einmal, wie ich mich verhalten soll“, fuhr sie ihn so laut an,
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