Julia Extra Band 357
Verbeugung. Dann öffnete er die Akte, die zwischen ihnen auf dem Tisch lag. „Wir haben herausgefunden, dass die einzige rechtmäßige und unverheiratete Thronerbin die Tochter des verstorbenen Königs Anwar ist. Sie ist britische Staatsbürgerin …“
„Britische Staatsbürgerin?“, wiederholte Haroun fasziniert. „Anwar hat vor Prinzessin Bariahs Vater, König Tamim, geherrscht, richtig?“
„Er war Tamims älterer Bruder. König Anwar war mehr als einmal verheiratet“, bemerkte Raja. „Und wer ist die Mutter dieser Frau?“
Der ältere Mann presste die Lippen zusammen. „Seine erste Frau war Engländerin. Die Ehe wurde nach kurzer Zeit geschieden, und sie ist dann mit der gemeinsamen Tochter nach England zurückgekehrt. Die Tochter ist jetzt einundzwanzig.“
„Halbengländerin“, meinte Prinz Raja versonnen. „Hat sie einen guten Charakter?“
Wajid verspannte sich merklich. „Natürlich.“
„Und warum hat König Anwar sich von ihrer Mutter scheiden lassen?“, hakte Raja nach.
„Weil sie keine Kinder mehr bekommen konnte. Es war eine Liebesheirat, aber die Ehe war nicht von Dauer.“ Spöttisch verzog der ältere Mann den Mund. „Mit seiner zweiten Frau hatte der König zwei Söhne, die beide im Krieg gefallen sind.“
Obwohl Raja das wusste, neigte er den Kopf, um den beiden Verstorbenen Respekt zu zollen. Er musste an die vielen Beisetzungen denken, denen er beigewohnt hatte. Wenn er mit dieser Verbindung Frieden zwischen den beiden verfeindeten Staaten schaffen konnte, war es ein vergleichsweise geringes Opfer.
„Und wie heißt Anwars Tochter?“
„Ihr Name ist Ruby. Und da die königliche Familie nie Kontakt zu ihrer Mutter und ihr gepflegt hat, ist Prinzessin Ruby natürlich nicht auf ihre Rolle vorbereitet.“
Nun runzelte Raja die Stirn. „Das Leben am Hof wäre also eine große Herausforderung für sie.“
„Sie ist jung genug, um sich alles schnell anzueignen.“ Sichtlich begeistert rieb der Berater sich die Hände.
„Haben Sie ein Foto von ihr für meinen Bruder?“, erkundigte Haroun sich interessiert.
Wajid blätterte in der Akte und förderte dann eine Aufnahme zutage. „Es ist leider schon einige Jahre alt, aber das Neueste, das wir haben.“
Raja betrachtete die schlanke Blondine in T-Shirt und Minirock, die vor der Moschee in der Hauptstadt von Ashuri stand. Sie war ein typischer Teenager, und ihr heller Teint und ihr langes blondes Haar muteten in seinem Land besonders exotisch an. Bei dieser Überlegung verspürte er sofort Gewissensbisse, weil er gerade erst seine Verlobte beerdigt hatte. Allerdings war er dieser vorher nur einmal begegnet und hatte sie im Grunde gar nicht gekannt.
Nachdem sein jüngerer Bruder den Schnappschuss betrachtet hatte, pfiff er anerkennend.
„Das reicht jetzt“, tadelte Raja ihn entnervt. „Wann darf ich sie kennenlernen?“
„Sobald wir es arrangieren können, Königliche Hoheit.“ Wajid strahlte, sichtlich erleichtert, dass er, Raja, sich auf eine weitere arrangierte Ehe einlassen wollte.
„Ruby, bitte .“ Besitzergreifend umfasste Steve ihre Taille, doch Ruby schob seine Hände weg.
„Nein!“ Ihr war nicht wohl dabei, mit ihm bei Tageslicht auf dem Parkplatz des Pubs auf Tuchfühlung zu gehen.
Gekränkt löste er sich von ihr und lehnte sich wieder auf dem Fahrersitz zurück. Mit dem langen blonden Haar, den großen braunen Augen und der tollen Figur stellte Ruby eine Trophäe dar, um die ihn all seine Freunde beneideten, aber sie konnte unglaublich stur sein. „Kann ich heute Abend vorbeikommen?“
„Ich bin müde“, schwindelte Ruby. „So, ich muss jetzt zurück zur Arbeit. Ich möchte mich nicht verspäten.“
Steve fuhr los und setzte sie vor der Anwaltskanzlei ab, in der sie als Empfangsdame tätig war. Sie wohnten beide in der Kleinstadt in Yorkshire. Steve arbeitete als Makler in der Immobilienfirma gegenüber, und zuerst hatte Ruby ihn sehr attraktiv gefunden. Mit dem blonden Haar und den blauen Augen war er genau ihr Typ, aber er küsste schlecht, und sie empfand seine Berührungen als unangenehm.
„Sie kommen zehn Minuten zu spät, Ruby“, bemerkte die Büroleiterin missbilligend. „In Zukunft müssen Sie pünktlicher sein.“
Nachdem Ruby sich bei ihr entschuldigt hatte, machte sie sich wieder an die langweiligen Routineaufgaben, die ihren Arbeitstag bestimmten. Mit achtzehn hatte sie bei Collins, Jones & Fowler angefangen, weil sie nach dem Tod ihrer Mutter dringend einen Job brauchte.
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