Julia Extra Band 362
sie nicht verbergen konnte. „Vitale fällt es schwer, mich nicht zu verurteilen, und manchmal erinnere ich mich an Dinge, die es mir beinahe unmöglich machen, ihm ins Gesicht zu schauen.“
„Trotzdem finde ich es gut, dass Sie beide es versuchen“, erwiderte Zara taktvoll, während Giuseppina den Raum betrat und den Tee servierte.
Paola presste die Lippen aufeinander. „Mich meiner Vergangenheit und den Fehlern, die ich gemacht habe, zu stellen, ist Teil meines Wegs zurück ins Leben. Ich gehe regelmäßig zu den Treffen einer Selbsthilfegruppe“, erklärte sie. „Ich habe einen guten Therapeuten, und Vitale unterstützt mich auch sehr.“
„Das ist gut.“ Zara fühlte sich immer noch unwohl. Sie sah zu, wie Paola mit leicht zitternden Händen Tee einschenkte. Die Anspannung der älteren Frau war nach wie vor überdeutlich.
„An den Freitagabenden gehen wir normalerweise essen und reden miteinander. Manchmal über schwierige Dinge … wie meine Tochter Loredana“, fuhr Vitales Mutter ruhig fort. „In meinen Erinnerungen ist sie immer noch sechs Jahre alt. So alt war sie, als ich meinen ersten Ehemann Carlo verlassen habe. Sie hat uns zweimal besucht, als sie erwachsen war, aber ich war nicht in der Lage, mit ihr zu sprechen, und ich kann mich nicht an sie erinnern …“
„Vitale hat mir erzählt, dass …“
„Ihnen müssen zumindest ein paar der schlimmen Dinge bekannt sein.“ Paolas Augen waren feucht. „Er hätte als Kind sterben können. Ich glaube, er hat sich seinen Tod damals oft gewünscht. Ich habe ihn seines wahren Vaters und seines Erbes beraubt, und dennoch quartiert er mich in diesem wunderschönen Haus ein und führt mich in elegante Restaurants aus, so als wäre ich immer noch das respektable junge Mädchen, das seinen Vater geheiratet hat … Die Frau, die ich war, bevor ich drogenabhängig wurde. Er sagt, ich kann frei entscheiden, wer ich jetzt sein möchte.“
„Damit hat er recht. Das können Sie“, bekräftigte Zara sanft und tröstend. Es war unübersehbar, wie zerbrechlich Paola wirkte. Wie sehr die Scham über ihr früheres Leben und ihre Fehler sie belastete.
Vitales Mutter stellte ihr Fragen zu dem Garten und bot ihr an, ihn ihr zu zeigen. Zara entspannte sich langsam, während sie über das Design sprachen und Paola sich erkundigte, wie sie die leeren Beete hinter der Villa am besten bepflanzen sollte. Sie hatte in der vorigen Woche bereits ein Gartenbaucenter aufgesucht. Zara bot ihr sofort an, in der kommenden Woche mit ihr dorthin zu fahren und sie zu beraten. Sie machten gleich einen Termin aus. Zara hoffte nur, dass es Vitale recht war und er es nicht als aufdringliche Einmischung ihrerseits empfinden würde.
Erst am späten Nachmittag des folgenden Tages kehrte Vitale in den Palazzo zurück. Zara trug ein einfaches weißes Sommerkleid und arrangierte gerade einen Lavendelstrauß in einer großen Kristallvase in der Eingangshalle. Als er sie erblickte, blieb er stehen und betrachtete sie aufmerksam. Sofort bemerkte er ihren besorgten Blick. Allmählich konnte man ihre Schwangerschaft sehen. Der kleine Bauch füllte das Kleid voll aus.
„Du kannst mich anschreien, wenn du willst“, sagte Zara mit schlechtem Gewissen.
Er hob eine Braue. „Warum sollte ich das tun?“
„Ich habe deine Mutter besucht. Ich dachte, du würdest es schon wissen.“
„Das tue ich auch. Paola hat mich angerufen, sobald du die Villa verlassen hattest“, verriet er mit verschmitztem Grinsen. „Sie mag dich sehr und hat mir deutlich gesagt, was für ein Glück ich habe, was ich natürlich schon weiß …“
„Aber ich habe dich ganz bewusst hintergangen“, versetzte sie schuldbewusst, damit er auch nur ja wusste, was sie da getan hatte. „Ich musste einfach wissen, wo du freitagabends hingehst, und mit wem du so viel Zeit verbringst …“
„Es war die Hölle, es dir nicht sagen zu dürfen, aber ich hatte Paola mein Wort gegeben. Es brauchte schon viel Überzeugungskunst, bis ich sie überhaupt so weit hatte, in die Villa zu ziehen. Sie hat fürchterliche Angst, sich uns aufzudrängen und uns in Verlegenheit zu bringen …“
„Lassen wir uns so leicht in Verlegenheit bringen?“
„Nein, bestimmt nicht.“ Sein Gesichtsausdruck verhärtete sich. „Sie hat dreißig Jahre ihres Lebens an die Drogen verloren und sich wahnsinnig angestrengt, davon loszukommen. Ich denke, sie verdient eine Chance.“
„Aber du findest es … schwierig, dich mit ihr zu treffen.“
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