Julia Festival Band 86
Annie hatte sich sein Gesicht vorgestellt, wenn er sie erblicken würde; sie hatte sich vorgestellt, wie sie zu ihm laufen und er sie in die Arme schließen würde.
Auf halbem Wege zum Logan Airport war ihr plötzlich bewusst geworden, dass sie ja keine Ahnung hatte, mit welcher Fluglinie Chase fliegen würde. Annie hatte den Fuß vom Gaspedal genommen und überlegt, ob sie nicht doch lieber wieder zurückfahren sollte.
Aber wieder nach Hause zurück? Unruhig von einem Raum zum anderen laufen und vor lauter Warten verrückt werden? Nein. Das war unmöglich. Dazu war sie nicht imstande. Genau aus diesem Grund hatte sie ja hastig Jeans, T-Shirt und Turnschuhe angezogen und war aus dem Haus zu ihrem Wagen gestürzt. Sie musste irgendetwas tun, sonst würde sie noch den Verstand verlieren.
Sie musste Chase sehen, sobald er aus dem Flugzeug stieg, ihm in die Arme fliegen und ihm sagen, dass auch sie nie aufgehört hatte, ihn zu lieben. Deshalb hatte sie das Gaspedal erneut durchgedrückt.
Bei ihrer Ankunft am Flughafen hatte Annie sich einen Plan zurechtgelegt, zumindest eine Art von Plan.
Sie ging zu dem ersten Informationsschalter, dessen sie ansichtig wurde.
„Entschuldigen Sie“, sagte sie höflich, „könnten Sie mir vielleicht sagen, welche Flüge heute Abend aus Puerto Rico hier eintreffen?“
„Welche Linie?“, erkundigte sich die Schalterbeamtin.
Mit einem entschuldigenden Lächeln antwortete Annie: „Leider weiß ich das nicht. Ist das ein Problem?“
Es war eins, aber kein unlösbares. Immerhin wusste Annie die Zeit von Chases ursprünglichem Flug nach New York. Falls es ihm gelungen war, einen Flug nach Boston zu bekommen, wäre dieser vermutlich kurze Zeit danach gestartet.
„Nun, das hilft uns ja schon etwas weiter“, meinte die Beamtin.
Es gab nur drei mögliche Flüge, die Chase hätte nehmen können. Alle drei waren von unterschiedlichen Fluggesellschaften, und sie sollten auch alle drei fast zur selben Zeit ankommen.
Annies Plan war einfach. Sie wollte den ersten Flug abwarten, und wenn Chase sich nicht unter den Passagieren am Ausgang befand, würde sie zum nächsten Ausgang eilen und dort wieder warten. Und falls nötig, würde sie das gleiche auch noch ein drittes Mal tun.
„Viel Glück“, hatte die hilfreiche Schalterbeamtin Annie hinterhergerufen, als diese davongehastet war.
Es schien ein logischer Plan zu sein. Allmählich jedoch kamen Annie Zweifel daran.
Das erste Flugzeug war gelandet und hatte offenbar seine volle Passagierladung bereits ausgespuckt. Chase war nicht dabei.
Annie lief zum nächsten Gate. Atemlos kam sie dort an, zwei Minuten, bevor das Tor sich öffnete und die ersten Passagiere begannen, in das Terminal hinauszuströmen.
Auf Zehenspitzen stehend, musterte Annie alle Gesichter, während sie zugleich heftig ihre Daumen drückte und im Stillen wie ein Mantra immer wieder Chases Namen wiederholte.
Aber es hatte nichts geholfen. Inzwischen hatten die letzten Reisenden die Kontrolle passiert und waren in die große Abfertigungshalle hinausgetreten. Doch auch hier war Chase nicht unter ihnen.
Sofort stürzte Annie zum nächsten Ausgang, wo sie auf das dritte und letzte Flugzeug wartete.
Aber was ist, wenn Chase auch da nicht mitkommt?, fragte sie sich verzweifelt.
Ihre Hände fingen an zu zittern, und sie verbarg sie, zu Fäusten geballt, tief in den Taschen ihrer Wetterjacke.
Vielleicht konnte er seinen Flug nicht mehr umbuchen, ging es Annie durch den Kopf. Oder es gab keine Plätze mehr. Man kann schließlich nicht in letzter Minute plötzlich seine Pläne umschmeißen und erwarten, dass man dann noch ein Ticket kriegt.
Wer weiß, möglicherweise landet Chase jetzt gerade in New York. Vielleicht ruft er mich an und erreicht wieder nur den Anrufbeantworter. Es ist schließlich schon spät, und er weiß, dass ich um die Zeit normalerweise zu Hause bin.
Wenn ich den Anruf nicht annehme, ob er dann wohl glaubt, dass ich seine Nachricht bekommen habe und nicht interessiert bin?
Annie biss sich auf die Lippen.
Es gab noch eine Möglichkeit, die sie bisher außer acht gelassen hatte. Es wäre möglich, dass Chase eingehängt hatte und ihm erst danach eingefallen war, dass er ja direkt nach Hartford zum Bradley Airport fliegen könnte. Vielleicht war er in diesem Augenblick bereits unterwegs zu ihrem Haus in Stratham.
Was ist, wenn er dort hinkommt, an die Tür hämmert und ich nicht da bin?, dachte Annie. Wird er denken, dass ich mit Milton Hoffman
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