JULIA FESTIVAL EXTRA Band 03
Giuseppe hatten ihm von deiner Schönheit erzählt.“
„Er war immer nett zu mir“, erinnerte sie sich mit einem Lächeln.
Bei ihrem Antrittsbesuch hatte sie Tomaso als Ersten wahrgenommen. Ein kleiner, glatzköpfiger Mann, der übers ganze runde Gesicht strahlte. Er breitete die Arme aus und begrüßte sie wie eine eigene Tochter, auch wenn sie noch nicht eingewilligt hatte, Francesco zu heiraten. Ich hatte damals noch nicht einmal daran gedacht, erinnerte sie sich.
Und hinter ihm stand Giovanna, groß, gebieterisch, von einer Aura natürlicher Unnahbarkeit umgeben. Das konnte auch ihre freundliche Begrüßung nicht ganz verbergen.
Sie waren alle da. Sowohl seine Brüder und ihre Frauen, dazu Tomasos und Giovannas Geschwister. Zwischendurch schneiten immer wieder diverse Nichten und Neffen unter irgendeinem Vorwand herein, begrüßten Sonia, begutachteten sie neugierig und lächelten. Zeitweise drängten sich an die dreißig Menschen in der winzigen Wohnung.
Tomaso sprach etwas Englisch. Giovanna kein Wort. Wenda spielte die Übersetzerin, als Giovanna Fragen wie Maschinengewehrfeuer auf Sonia abschoss. Unter solchen Umständen war es einfach nicht möglich zu erklären, dass sie gar nicht wirklich miteinander verlobt waren. Sie tat ihr Bestes, betonte mehrfach, dass sie sich erst vor zwei Tagen begegnet wären. Aber das provozierte Tomaso nur zu der Bemerkung, dass er sich in Giovanna auch auf den ersten Blick verliebt hätte.
Sie aßen in dem handtuchgroßen Garten, der mit bunten Lichtern geschmückt war. Das Essen war hervorragend, bestand aus mehreren Gängen venezianischer Gerichte, und Sonia fühlte sich förmlich überwältigt.
Vielleicht sollte es so sein, dachte sie. Giovanna beobachtete sie ständig, aber das taten die anderen auch. Es sah so aus, als hätten alle zum Essen etwas beigesteuert, denn ab und zu verschwand jemand in der Küche und kehrte mit einem neuen Gericht zurück. Aber ihr Lächeln wirkte aufrichtig, genauso ihr offensichtliches Vergnügen an ihrer Gesellschaft. Als sie ging, küssten sie Sonia auf die Wangen und murmelten etwas davon, sie bald wieder zu sehen, und Sonia murmelte etwas Ähnliches.
An der Straßenecke drehte sie sich noch einmal um und winkte ihnen zu. Sie standen an der Tür und hingen aus den Fenstern. Sonia fühlte sich geborgen. Am oberen Fenster stand Giovanna. Allein.
4. KAPITEL
Langsam gewöhnte sich Sonia an das venezianische Informationsnetz, und so war sie nicht erstaunt, als sie um die Ecke bogen und Marco mit seiner Gondel auf sie wartete.
„Bringt er uns zurück zu deiner Wohnung?“, fragte sie lächelnd.
„Noch nicht.“
Es war schon spät am Abend, und die meisten Venezianer schliefen anscheinend bereits. So hatten sie den schmalen Kanal fast für sich allein. Nur ein, zwei Gondeln begegneten ihnen, und zum ersten Mal hörte Sonia den auffälligen Warnruf der Gondolieri, wenn sie um eine Ecke bogen. In der warmen Nachtluft hallten ihre Rufe übers Wasser, bis sie irgendwann verklangen. Sonia lauschte, verzaubert von dem melodiösen Klang, von Venedig, von ihrem Geliebten.
„Ich muss morgen zurück nach Haus“, bemerkte sie. Sie lag in Francescos Armbeuge.
„Warum?“
„Ich habe diese Reise so lange wie möglich ausgedehnt. Es begann als Geschäftsreise und wurde zum Urlaub.“
Er erwiderte nichts, schien in Gedanken versunken.
Heute Nacht würden sie diese wunderschöne Urlaubsromanze besiegeln, an die sie ihr Leben lang denken würde.
Sonia gab sich keiner Illusion hin: Es war und blieb eine Urlaubsromanze. Mehr zu erwarten grenzte schon an Dummheit.
Francesco, das wusste sie, war ein unbekümmerter Charmeur, voller Tricks, immer in der Lage, eine Situation zu seinen Gunsten zu wenden. Aber er war auch ein Mann mit Ehre und konnte unerwartet dickköpfig sein, wie sie feststellen musste. Als sie seine Wohnung erreichten, verlief alles genauso wie beim letzten Abend. Er gab ihr einen Gutenachtkuss und schloss die Schlafzimmertür fest hinter ihr.
Was blieb ihr anderes übrig, als selbst die Initiative zu ergreifen?
Sie wartete, bis alles still war, schlüpfte aus dem Zimmer hinüber ins Wohnzimmer, wo er unter einer Decke auf dem Sofa lag. Sie kniete neben ihm und presste die Lippen sehnsüchtig auf seinen Mund.
Nur einen Moment später öffnete er die Augen und schlang die Arme um sie. Was nun folgte, war anders als die Küsse draußen in den düsteren Gassen. Jetzt bargen sie Entschlossenheit und ein Versprechen auf mehr.
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