JULIA FESTIVAL EXTRA Band 04
1. KAPITEL
Wohlwollend betrachtete Isabella Valeri-King ihre angeheiratete Nichte. Ihr gefiel der Ausdruck innerer Stärke, den sie in Elizabeths Gesicht bemerkte. Diese Frau, die als Matriarchin der Kings aus den Kimberleys galt, wusste, was Familie bedeutete: ein Erbe, das von einer Generation an die nächste weitergegeben wurde.
Heirat war ein Muss. Kinder waren ein Muss.
Elizabeth hatte drei Söhne, die alle drei im Lauf des vergangenen Jahres geheiratet hatten, und zwei davon erwarteten bereits Nachwuchs. Als Familienoberhaupt der Kings aus den Kimberleys konnte Elizabeth sich beruhigt zurücklehnen. Ganz anders sie, Isabella. Von ihren drei Enkelsöhnen plante nur Alessandro, in naher Zukunft zu heiraten, und der Gedanke an seine Heirat behagte Isabella ganz und gar nicht.
Die Frau seiner Wahl war nicht die Richtige für ihn. Aber wie konnte man ihm das begreiflich machen? Wie konnte man ihn von seiner Entscheidung abbringen?
Das Datum für die Hochzeit war für Dezember angesetzt, nach der Zuckerrohrernte. Jetzt war es Mai. Isabella blieben sechs Monate, um Alessandro vor Augen zu führen, dass Michelle Banks ihn niemals glücklich machen würde. Die Frau war egoistisch und selbstverliebt. Aber sie wusste stets zu erreichen, was sie wollte, und nutzte zweifellos ihren unbestreitbaren Sex-Appeal, um Alessandro an sich zu binden.
Wie lange würde das als Basis für eine Ehe ausreichen? Außerdem schien Michelle ständig nur an ihre Figur zu denken, und für solche Frauen war es meist keine angenehme Vorstellung, schwanger zu werden. Würde sie sich wenigstens auf ein Kind, einen Erben, einlassen? Oder würde sie nach Ausflüchten suchen, die Sache immer weiter aufschieben, sich sogar ganz weigern?
„Ein malerischer Ausblick, Isabella!“, sagte Elizabeth, wobei sie den Blick bewundernd über die Dickinson-Meerenge zu den Zuckerrohrfeldern auf der anderen Seite schweifen ließ.
Die beiden Frauen tranken ihren morgendlichen Tee auf der Loggia neben dem Springbrunnen, und der offene Säulengang gab den Blick auf eine Landschaft frei, die sich sehr vom Outback in den Kimberleys unterschied. Hier im äußersten Norden von Queensland überwog das intensive Grün des tropischen Regenwaldes, der das von Menschen kultivierte Land überall umzingelte und auf seine Weise genauso wild und urtümlich war wie das weite rote Herz Australiens, in dem Elizabeth zu Hause war.
Isabella erinnerte sich noch sehr gut daran, wie schwer es gewesen war, dem Urwald das Ackerland abzuringen. Tückische Schling- und Giftpflanzen, die Hitze, die Luftfeuchtigkeit, Fieberkrankheiten und tödliche Schlangen hatten die Arbeit mühsam und gefährlich gemacht. Keiner konnte das besser wissen als sie, die vor achtundsiebzig Jahren als Tochter italienischer Immigranten hier im Land der Zuckerrohrfarmer geboren worden war.
Abgesehen von einer kurzen Zeit in Brisbane, wo sie Edward King kennengelernt und geheiratet hatte, war Isabella immer hier zu Hause gewesen, auf diesem Hügel oberhalb von Port Douglas. Edward war zusammen mit ihrem Bruder Enrico schon kurz nach der Heirat nach Europa in den Krieg gezogen, und Isabella war – als Kriegswitwe – in ihr Elternhaus zurückgekehrt. Hier hatte sie ihren und Edwards Sohn zur Welt gebracht, ihren über alles geliebten Roberto.
„Mein Vater hat diesen Ort für meine Mutter ausgewählt, die aus Neapel stammte“, erklärte sie ihrem Gast. „Sie wollte am Meer wohnen.“
Elizabeth lächelte. „Was für eine romantische Geschichte, dein Vater hat für seine Braut dieses Schloss gebaut!“
„Genau genommen ist es ja eher eine Villa“, verbesserte Isabella sie lächelnd. „Den antiken Villen Roms nachempfunden. Ursprünglich nannte man sie auch ‚Villa Valeri‘. Aber mein einziger Bruder kehrte genauso wie mein Mann nicht aus dem Krieg zurück. Und da ich die Witwe von Edward King war, trugen mein Sohn und meine Enkelsöhne den Namen King. Deshalb gingen nach dem Tod meines Vaters die Einheimischen dazu über, die Villa als ‚King’s Castle‘ zu bezeichnen. Und dabei ist es dann geblieben.“
„Stimmt dich das traurig, dass der Name deines Vaters und dessen, was er geschaffen hat, dem Namen King gewichen ist?“
Isabella schüttelte den Kopf. „Das Erbe meines Vaters lebt in meinen Enkeln weiter. Nur das wäre ihm wichtig … dass alles, was er aufgebaut hat, in der Familie bleibt und fortgesetzt wird. Du weißt, wovon ich rede, Elizabeth.“
Elizabeth King nickte
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