JULIA FESTIVAL EXTRA Band 06
eine Weise, die Sam an eine fauchende Katze erinnerte.
„Rosemary braucht ein wenig Erholung“, mischte Patricia sich besänftigend ein. „Sie hat so hart für ihre Prüfung gearbeitet, und jetzt, da sie den Abschluss …“
„Abschluss?“, unterbrach James sie. „Mir tut jeder leid, der verzweifelt genug ist, deine Hilfe zu brauchen, Rosemary. Ich jedenfalls würde eher …“
„James“, fiel seine Mutter ihm streng ins Wort.
Die Wangen des Mädchens glühten, und ihre Augen blitzten. Unwillkürlich hielt Samantha den Atem an.
„Rosemary hat ihr Praktikum im Krankenhaus beendet und ist jetzt als Ärztin zugelassen“, erklärte Patricia Sam. „Und als ihre Taufpatin finde ich, dass sie sich eine kleine Belohnung verdient hat, zumal Tim – das ist ihr Verlobter – den Sommer über im Ausland arbeitet.“
Rosemary hob die Hand, sodass der Brillantring an ihrem Finger funkelte, und sah James mit einer Mischung aus Trotz und Triumph an.
„Wie du siehst, James, teilen nicht alle Männer deine Meinung über mich.“
„Du bist verlobt?“, rief er geradezu entsetzt aus, „Was für ein Masochist!“
„James!“, ermahnte Patricia ihren Sohn scharf.
Grimmig drehte er sich zu seinem Vater um.
„Eine kleine Belohnung“, wiederholte er die Worte seiner Mutter kopfschüttelnd. „Also hast du sie eingeladen, ein paar Wochen bei euch zu verbringen … Hier, Dad, sind die Unterlagen, um die du mich gebeten hast.“ Er kehrte seiner Mutter und Rosemary den Rücken zu. „Wir müssen gehen, Bobbie erwartet uns, und Samantha ist von dem langen Flug ein wenig erschöpft.“
„Das liegt bestimmt am Sauerstoffmangel“, warf Rosemary mit falschem Mitgefühl ein.
Samantha verstand nicht, was die junge Frau gegen sie hatte.
„Rosemary …“, begann James, aber sie ignorierte ihn.
„Bestimmt ist es nicht einfach, andauernd in der dünnen Höhenluft zu leben, wenn man so groß ist.“
Samantha war völlig verwirrt und wollte sich eigentlich nicht provozieren lassen, aber das war zu viel.
„Hmm … es hat allerdings auch seine Vorteile“, erwiderte sie mit ihrem besten amerikanischen Akzent und wandte sich demonstrativ James zu, bis sie fast Schulter an Schulter, Gesicht an Gesicht und Lippen an Lippen standen.
Sie sah ihm in die Augen, dann senkte sie den Blick zu seinem Mund hinab und fuhr sich mit der Zungenspitze über die Oberlippe.
„Ich … denke, wir sollten jetzt lieber gehen“, erklärte er mit belegter Stimme.
Samantha gestattete sich einen überlegenen Blick in Rosemarys Richtung, nahm ihn jedoch sofort zurück, als sie in den Augen der jungen Frau außer unverhohlenem Zorn auch heiße Tränen entdeckte.
Tränen? Um James? Dabei trug sie doch den Ring eines anderen Mannes? Nachdenklich verabschiedete Sam sich von James’ Eltern und folgte ihm zum Wagen.
„Deine Mutter und Rosemary verstehen sich offenbar sehr gut, und da sie nun mal ihre Patentochter ist …“, begann sie leise.
„Rosemary ist eine Gefahr“, erwiderte James. „Aber das kann oder will meine Mutter nicht sehen.“
„Sie ist sehr hübsch.“
„Hübsch?“ James starrte Sam an. „Sie war eine rothaarige Göre mit Sommersprossen.“
„Nun ja, rothaarig ist sie immer noch.“
„Sie hat die Ferien immer bei uns verbracht. Ihre Eltern arbeiteten im Ausland, und sie war auf einem Internat.“
„Du mochtest sie nicht?“, fragte Sam.
„Das kann man wohl sagen. Sie war eine Petzerin. ‚Das sage ich Tante Pat …‘“ Er schüttelte den Kopf. „Bestimmt denkst du, ich reagiere überdreht, aber sie ist mir wirklich auf die Nerven gegangen.“
Das Bild, das er von Rosemary zeichnete, war wahrlich nicht sehr attraktiv, und angesichts der boshaften Bemerkung über ihre Größe hätte Sam ihm gern zugestimmt. Aber die Tränen, die sie gesehen hatte, ließen sie zögern. Natürlich ging es sie nichts an, was Rosemary für James empfand. Außerdem hatte sie eigene Pläne mit ihm. Und Rosemary war schließlich mit einem anderen verlobt. Trotzdem wünschte sie, sie hätte die Tränen in den Augen der jungen Frau nicht gesehen und die Enttäuschung nicht gespürt.
„Komm schon, erzähl mir alle Neuigkeiten“, drängte Bobbie ihre Schwester.
Sie saßen in Bobbies gemütlicher Küche. James war gerade gegangen, und Francesca spielte auf dem Fußboden.
„So viel gibt es gar nicht zu erzählen“, sagte Sam. „Das meiste weißt du schon. Mom und Dad freuen sich schon darauf, herzukommen und euch alle
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