Julia Festival ext.Weihnachten Band 05
musste um jeden Preis aus dem Haus sein, bevor ihre Extrazutaten zu wirken begannen. Und es konnte jeden Moment so weit sein …
Wie sie sich erinnerte, neigte Harold zum Jähzorn. Sie hatte es zwar nie erlebt, dass er tätlich wurde, würde ihm aber in der Hinsicht einiges zutrauen. Schon öfter hatte sie gedacht, dass man seine Bereitschaft zur Gewalt besonders an den Augen ablesen konnte.
„Sie wollten nichts essen“, bemerkte Jon. „Wieso?“
„Das habe ich doch schon gesagt“, versuchte Heaven zu erklären. „Ich … ich bin allergisch gegen Nüsse.“ Inständig hoffte sie, dass er ihre Verlegenheit nicht als Schuldgeständnis werten würde. Nun wurde sie zu allem Überfluss auch noch rot!
„Aber als wir beide damals miteinander im Restaurant waren, haben Sie auch ein Dessert mit Nüssen gegessen. Das weiß ich ganz genau. Und da waren Sie nicht allergisch. Sie haben nicht einmal etwas davon erwähnt“, sagte er leise.
Heaven sah ihn verblüfft an. Sie hatte nicht erwartet, dass er sich daran erinnern könnte. Sie selbst hätte jedes Wort aufschreiben können, das an jenem Abend gesprochen wurde. Aber das war ja auch kein Wunder …
„Sagen Sie, wie viel haben Sie von dem Pudding gegessen?“, brachte Heaven mühsam hervor.
„Ich? Gar nichts“, antwortete Jon. „Erstens hatte ich keinen Hunger mehr, und zweitens mag ich Süßes nicht besonders.“
„Nichts“, wiederholte Heaven unendlich erleichtert. „Wirklich nichts? Sind Sie ganz sicher?“
„Natürlich bin ich sicher“, gab Jon zurück. „Und jetzt frage ich Sie zum letzten Mal: Was war in dem Pudding?“
Heaven wagte nicht, ihn anzusehen. Sie wusste, dass es jetzt kein Entkommen mehr gab. Jon wollte die Wahrheit wissen, und er würde so lange warten, bis sie alles gebeichtet hatte.
„Ich habe Abführmittel und Paraffinöl daruntergemischt“, erklärte Heaven mit tonloser Stimme.
„Was?“, fragte Jon entgeistert. Es war ihm anzusehen, dass er Heaven nur schwer glauben konnte.
„Es stimmt“, sagte Heaven. „Abführmittel und Paraffinöl.“ Sie blickte Jon schuldbewusst an. Dann holte sie tief Luft. Wenn er schon das meiste wusste, konnte er auch den Rest erfahren. „Und außerdem hat Harold die Klempnerfirma nicht bezahlt. Deswegen sind die Abflüsse in den Toiletten nicht angeschlossen.“
„Mein Gott …“ Mehr konnte Jon nicht sagen.
In dem Moment hörte Heaven draußen Schritte. Jemand würde gleich die Küche betreten. Panisch sah sie sich um.
„Jon, ich …“ Das Wort blieb ihr im Hals stecken, als sie die Stimme vor der Tür erkannte. Es war Harolds Buchhalter. Natürlich würde er sie erkennen. Sie saß in der Falle!
Jon erfasste die Lage blitzschnell. Als die Tür aufschwang und der Mann hereinkam, riss Jon Heaven in seine Arme und drückte ihren Kopf gegen seine Schulter. Nun konnte niemand ihr Gesicht sehen.
„Was um alles …“, begann sie, aber Jon neigte den Kopf und küsste sie, sodass sie nichts mehr sagen konnte. Es war kein Kuss aus taktischen Gründen, so viel stand fest. Seine Lippen strichen zuerst sanft über ihren Mund, bevor seine Zunge sie liebkoste. Heaven wurde schwindlig, ihre Knie zitterten. Wie heiße Schokoladensoße auf Eiscreme, schoss es ihr durch den Kopf, als sein Kuss drängender und leidenschaftlicher wurde.
„Was zum Teufel ist hier eigentlich los?“, ertönte plötzlich Harolds Stimme in der Nähe. Heaven stand augenblicklich wie erstarrt. Es war klar, dass er gekommen war, um nach seinen Gästen zu sehen, die einer nach dem anderen vom Tisch verschwunden waren. Instinktiv kuschelte sich Heaven noch enger an Jon. Sie hatte unaussprechliche Angst, von Harold entdeckt zu werden.
„Wer ist das?“, wollte Harold von Jon wissen.
„Meine Freundin, Harold“, erklärte Jon geistesgegenwärtig. „Ich habe sie gebeten, mich nachher nach Hause zu fahren. Ich kann es mir nicht leisten, den Führerschein zu verlieren.“
„So, deine Freundin“, wiederholte Harold verächtlich. „Weißt du was? Du kannst es dir mit Sicherheit nicht leisten, jetzt einfach hier in der Küche herumzustehen und mit deiner Lady zu knutschen. Es gibt ein paar wichtigere Dinge zu tun. Sex kannst du hinterher haben und …“ Harold hörte mitten im Satz auf zu sprechen und griff sich an den Magen. Er war kreidebleich geworden.
„O Gott … o Gott …“, stöhnte er und wankte aus der Tür. Dann hörten sie ihn den Flur entlangrennen.
Draußen in der Diele war jetzt die Hölle los.
Weitere Kostenlose Bücher