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Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition)

Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition)

Titel: Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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Das Ende
    Óðinn schreckte hoch, als er husten musste. Wie lange hatte er geschlafen? War er nur kurz eingenickt? Er kicherte und wunderte sich über das Röcheln, das aus seiner Kehle drang. Er fühlte sich gut, dämmerte aber langsam wieder weg und kämpfte dagegen an. Wo war er noch mal? Er versuchte zu lächeln, aber seine Lippen zuckten nur schlaff, und er musste wieder kichern. Dann wurde alles still. Bis auf das Motorengeräusch. Der Klang war einlullend, und seine Augenlider sanken nach unten. War er betrunken? Erneutes Husten. Jedoch nicht von ihm. Er öffnete seine Augen einen Spalt und schaute sich mühsam um. Er saß auf dem Fahrersitz. Neben ihm seine Tochter Rún mit hängendem Kopf, ihr schwarzes Haar verdeckte ihr zartes Gesicht. Óðinn lachte, als hätte er noch nie im Leben etwas Lustigeres gesehen. Aber etwas war nicht richtig. Er saß betrunken am Steuer. Oder? Aber er war glücklich.
    Rún hustete wieder, und ihr Kopf schlug nach hinten. Ihr feines Haar schwang leicht vor und zurück, vor und zurück, wie im Wind, und Óðinn musste immer wieder auflachen, obwohl er spürte, dass die Situation nicht lustig war. Dennoch zog sich ein breites Grinsen über sein Gesicht.
    Sie saßen im Auto. In einer Garage. Óðinn war das Kinn auf die Brust gesackt, und er hob ganz langsam den Kopf, als sei er aus hauchdünnem Glas. Was war das für eine Garage? Er hätte es wissen müssen, konnte sich aber unmöglich erinnern. Was machen wir hier? Warum ist mir so komisch? In seinem Kopf echoten die Antworten, entglitten ihm aber immer wieder – was ärgerlich war, denn sie waren wichtig. Sehr wichtig.
    Óðinn atmete erschöpft durch die Nase. Wenn er blinzelte, konnte er seine Umgebung einigermaßen erkennen, hatte aber jedes Mal das Gefühl, seine Augen würden sich endgültig schließen. Wieder überkam ihn eine Welle der Freude, und diesmal brachte er ein richtiges Lächeln zustande. Dachte er zumindest. Es war wundervoll. Unter Anstrengung schaffte er es, die Hand seiner Tochter zu nehmen. Sie war ganz schlaff. Óðinns alberne Heiterkeit ließ nach, und er drückte ihre feuchte Hand. Rún reagierte nicht, hing einfach nur entkräftet im Sicherheitsgurt.
    Ein Hauch von Vernunft brach durch den rauschhaften Nebel. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht. Warum saßen sie im Auto? In dieser ihm bekannt vorkommenden Garage? Er hätte es wissen müssen und versuchte sich zu erinnern, wie sie dorthin gekommen waren. Doch sobald ein Gedanke Gestalt annahm, verblasste er sofort wieder, wurde schwächer und verschwand. Lára. Lára. Lára. Seine Exfrau, Rúns Mutter. Was hatte sie damit zu tun? Sie war längst tot. Er kicherte wieder, obwohl er das überhaupt nicht witzig fand.
    Jetzt musste er wieder husten, bis es in seiner Brust brannte, und als er nach Atem rang, kam ihm die Luft so merkwürdig vor. Säuerlich. Vergiftet. Er lächelte, während er nach dem Heizungsregler tastete, um das Gebläse voll aufzudrehen, kam aber nicht so weit und sackte auf dem Schaltknüppel zusammen. Er wusste, dass das hätte weh tun müssen, aber der Schmerz war so schwammig, dass er noch nicht einmal das Gesicht verzog. Als trage er einen dicken Skianzug. Er schaute an sich herunter und sah, dass er ganz normale Klamotten anhatte. Nur keine Jacke. Seltsam. War es draußen nicht bitterkalt? Es war doch Winter, oder? Óðinn war sich nicht sicher. Doch es spielte keine Rolle. Etwas oder jemand sagte ihm, dass alles gut würde. Vielleicht Lára. Zumindest klang es nach ihrer Stimme.
    Wie furchtbar das aussah, wie Rún neben ihm hing. Das machte seine ganze Freude zunichte. Er schaute weg. Langsam. Sehr langsam. Sein Kopf war immer noch aus hauchdünnem Glas. Sein Kinn sackte auf seine linke Schulter, und er lächelte. So war es viel besser. Jetzt sah er, dass das Fenster auf der Fahrerseite geöffnet war, und sein Herz stockte. Außerhalb des Wagens wirkte die Luft grau und neblig. Warum kam ihm das so bekannt vor? Auspuffgase. Giftige Motorabgase. Er hätte etwas darüber wissen müssen. Etwas, das mit seinem Job zusammenhing. Óðinn hielt die Luft an, und dabei wurden seine Gedanken klarer. Die abartige Freude wich einer Verzweiflung, und ihm fiel ein, dass Menschen, die aus Sauerstoffmangel erstickten, kurz vor ihrem Tod große Glückseligkeit empfanden, dass das Gehirn ihnen im letzten Moment Gnade zuteilwerden ließ. Glücklich sterben. Das war gut.
    Wer hatte ihnen das nur angetan? Wer? Wer? Óðinn fing wieder an zu

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