Julia Gold Band 0045
ihr Kindermädchen, ist ebenfalls bei ihnen. Tayi ist sehr loyal, und ich habe großes Vertrauen zu ihr, denn sie gehört schon lange zu meinem Haushalt.“
„Ich verstehe“, erwiderte Leah kühl.
„Sie können meinen Töchtern Englischunterricht geben. Ich werde allerdings überwachen, ob sie unter Ihrer Anleitung Fortschritte machen. Nichts, was Sie während der kommenden vier Wochen tun, wird meiner Aufmerksamkeit entgehen, Miss Marlow.“
Es klang wie eine Drohung, aber auch wie ein Versprechen. Er hob die Hand, und sogleich verneigte sich einer der beiden Leibwächter und eilte davon.
„Sie werden jetzt meine Kinder kennenlernen. Vergessen Sie bitte nicht, dass ich Sie stets mit Argusaugen beobachten werde, Miss Marlow. Wenn irgendetwas nicht in Ordnung ist, werde ich es sogleich wissen.“
Leah atmete tief ein und aus, um den Gefühlssturm, der in ihr tobte, wieder in den Griff zu bekommen. Vier Wochen lang musste sie sich mit Sharif al Kaders Gegenwart abfinden. Bestimmt würde es ihr gelingen, den Druck, den er auf sie ausübte, so lange zu ertragen.
2. KAPITEL
Während sie auf die Kinder warteten, beobachtete Leah, wie Sharif al Kader mit den Fingern auf die Sessellehne trommelte. Seine Finger sahen kräftig und sinnlich aus, und das stetige rhythmische Klopfen klang ungeduldig und unnachgiebig. Auf einmal überlegte Leah, was Samira wohl in der Hochzeitsnacht empfinden würde.
Rasch verdrängte sie diese für sie so untypischen Gedanken wieder. Es interessierte sie doch gar nicht, ob Sharif al Kader ein guter Liebhaber war oder nicht. Außerdem hatte diese Eheschließung mit Liebe nichts zu tun. Der Scheich von Zubani heiratete Samira nur deshalb, um wieder eine Frau an seiner Seite und in seinem Bett zu haben und, was zweifellos noch viel wichtiger war, um die politische Freundschaft mit dem Königshaus von Qatamah zu festigen. Dies erschien notwendig, weil Sharif erst vor Kurzem an die Macht gelangt war.
Man behauptete, dass einer der Gründe, warum er in Zubani die Regierungsgeschäfte von seinem Onkel übernommen hatte, der sei, dass der alte Mann sich geweigert hatte, die Gewinne aus den Ölvorkommen für die Entwicklung im Land, also zum Wohl des Volkes einzusetzen. Sharif al Kader teilte die Überzeugung seines Onkels nicht, dass die traditionelle Lebensweise durch zu viele Veränderungen vollständig aus den Angeln gehoben würde.
Sharifs erste Frau war nach der Geburt des zweiten Kinds an einer Infektion gestorben. Die Ursache für ihren tragischen Tod sah Sharif in der schlechten Ausstattung der Klinik, für deren Modernisierung sein Onkel keine finanziellen Mittel zur Verfügung stellen wollte. Deshalb war es dem Scheich ein zentrales Anliegen, die medizinische Versorgung in seinem Land auf den neuesten Stand zu bringen. Man gewann den Eindruck, dass der Scheich alles, was ihm besonders am Herzen lag, gründlich, aber auch rücksichtslos durchsetzte.
Plötzlich hörte er auf, mit den Fingern zu trommeln. Leah schaute ihn an und beobachtete erstaunt die Wandlung, die mit ihm vorging. Er lächelte jetzt warm und herzlich, während er aufstand und stolz verkündete: „Meine Töchter.“
Leah erhob sich langsam. Die unglaubliche Schönheit der jungen Frau, die die beiden kleinen Mädchen an der Hand führte, überraschte sie. Sie war sehr groß, trug ein Gewand aus silber- und orangefarbener Seide und strahlte eine fast königliche Würde aus. Um den Kopf hatte sie einen Turban aus demselben Material geschlungen. Ihre Gesichtszüge waren ausgesprochen fein und edel, und der Blick ihrer großen dunklen Augen weich und sanft.
„Danke, Tayi“, sagte der Scheich auf Arabisch. „Die Kinder sollen jetzt Miss Leah Marlow begrüßen.“
Sogleich ließ sie die kleinen Mädchen los und schob sie behutsam in Leahs Richtung. Ein wenig scheu gingen sie weiter und schauten Leah mit den großen Augen fragend an.
„Meine Töchter haben noch nie jemanden mit so heller Haut und hellblondem Haar kennengelernt“, erklärte der Scheich leicht ironisch, während er die Kinder formell vorstellte. „Das ist Nadia, sie ist fünf Jahre alt, und das Jasmin, sie ist drei.“
Er umarmte die beiden liebevoll, und aus seiner Stimme klangen Zärtlichkeit und Zuneigung. Sekundenlang erinnerte Leah sich an ihre eigene Kindheit, als sie ihrem Vater noch sehr nahegestanden hatte. Sie war sehr verletzt gewesen, als er sie und Glen verlassen und bei ihrer Mutter zurückgelassen hatte, die sich mehr um den neuen
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