Julia Saison Band 13 (German Edition)
hat.“
Er nahm noch einen Bissen und genoss ihn offensichtlich genauso wie Lilahs Entschuldigung. „Gezwungen?“
Lilah verzog das Gesicht. „Sie hat mich einen Feigling genannt.“
Da lachte er. „Ich schätze, das lassen Sie niemandem durchgehen.“
Dann widmete er sich wieder seinem Essen. Zumindest hatte Lilah ihn zum Lachen gebracht, auch wenn er über sie lachte.
„Schließen Sie die Tür und setzen Sie sich“, lud er sie ein, als sie unsicher dastand und nicht wusste, was sie tun sollte.
„Sind Sie sicher? Es gibt keine Garantie für das, was ich sage“, warnte sie ihn.
„Nun … die Möglichkeiten machen mich schon nervös, aber mit geschlossener Tür ist es hier wunderbar ruhig, und ich bin dankbar für die Ruhe und Ungestörtheit.“
Lilah schloss die Tür und setzte sich neben ihn.
„Kann ich Ihnen noch etwas holen? Es ist noch Kalbfleisch übrig, wenn Sie möchten, oder ein Stück Hochzeitstorte?“
„Nein, danke. Das reicht.“ Er legte seine Gabel weg und wischte sich den Mund mit der Stoffserviette ab. Dann lehnte er sich zurück und nippte an seinem Bourbon.
„Eleanor und Richter Walters sagten, Sie hätten einen schlimmen Tag gehabt, einen schwierigen Fall“, begann Lilah vorsichtig.
Er nickte.
„Möchten Sie darüber sprechen?“
„Ich darf normalerweise nicht über meine Fälle sprechen, aber über diesen wurde schon in den Zeitungen geschrieben. Der Anwalt des Mädchens hat dafür gesorgt. Wahrscheinlich wollte er die öffentliche Aufmerksamkeit. Darum sind die Einzelheiten dieses Falles nicht gerade ein Geheimnis. Eine 15-jährige Krebspatientin hat ihre Eltern verklagt, weil sie ihre eigenen medizinischen Entscheidungen treffen möchte. Aus ärztlicher Sicht gibt es in diesem Stadium nur äußerst geringe Heilungschancen, und sie bestand auf das Recht, die Behandlung abzubrechen und nach Hause zu gehen. Ihre Eltern waren noch nicht bereit aufzugeben.“
„Das ist furchtbar“, flüsterte Lilah entsetzt.
„Ja, das ist es.“
„Ich hätte nicht gedacht, dass Sie mit so etwas zu tun haben.“
„Zum Glück ist das selten der Fall.“ Er nippte noch einmal an seinem Drink.
„Wie entscheiden Sie solche Fälle?“
„Das Gesetz bietet nur vage, nicht gerade hilfreiche Richtlinien dafür, was im Interesse des Kindes ist.“
„Und Sie sollen entscheiden? Wenn das Mädchen und seine Eltern es nicht können?“
Er nickte.
„Und wie haben Sie entschieden?“
„Gar nicht. Nicht wirklich.“
„Wer dann?“
„Wie Sie wahrscheinlich morgen in der Zeitung lesen werden, haben die Eltern eingewilligt, sie mit nach Hause zu nehmen. Der Fall wurde eingestellt“, sagte er langsam.
„Warum haben Sie entschieden, das Mädchen nach Hause gehen zu lassen?“
Ash sah sie direkt an. „Ich habe nicht gesagt, dass ich das getan habe.“
„Nein, aber Sie haben das bewirkt.“ Da war sie sich sicher.
„Im Allgemeinen sitze ich nur dabei und höre zu. Mehr kann man eigentlich nicht tun. Wem soll man glauben? Manchmal muss man entscheiden, wer die nötige Sachkompetenz hat, über das entsprechende Thema zu entscheiden.“
„Das ist bestimmt der schwerste Teil – zu entscheiden, wer entscheiden soll?“
Er nickte. „Ich wünschte, jeder könnte immer allein gute Entscheidungen treffen, aber manchmal können die Leute das einfach nicht. Sie haben Angst, sind traurig oder wütend, können die Situation nicht klar sehen und objektiv sein. Dann brauchen sie jemanden, der das für sie tut, besonders wenn alle Möglichkeiten einfach lausig sind, wie in diesem Fall. Entweder lässt das Mädchen eine weitere hochgiftige Behandlung über sich ergehen und stirbt wahrscheinlich – oder sie geht nach Hause und stirbt ebenso wahrscheinlich.“
Lilah nickte. Es war wie die Wahl zwischen Teufel und Beelzebub.
„Und wenn es den Eltern leichter fällt, ihre Tochter mit nach Hause zu nehmen, weil sie dann später mir die Schuld an ihrem Tod geben können, ist das okay für mich. Nicht die Tatsache, dass sie sterben wird, aber das kann ich leider nicht verhindern. Es ist nur … Sie möchte es, und sie hat genug mitgemacht, um zu wissen, was es bedeutet, die Behandlung abzubrechen.“
Trotzdem trägt er eine schreckliche Bürde, dachte Lilah. Dabei wirkte er so ruhig, so selbstsicher. „Woher wissen Sie, dass Sie das Richtige getan haben?“
„Das weiß ich nie ganz sicher. … man kann nur sein Bestes geben und hoffen, dass man alles richtig macht.“
Ash schloss die Augen
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