Mexiko, mein anderes Leben (German Edition)
Prolog
Niemals hätte ich geglaubt, dass sich mein Leben so ändern wird. Der erste Tag meines neuen Lebens begann am 17. Oktober 2004, morgens um fünf Uhr in Berlin, im Flughafen Tegel. Es nieselte. Meine Augen waren feucht, aber nicht vom Regen.
Immer wieder musste ich die Tränen runterschlucken und ein Bild, das ich vor Augen hatte, verdrängen: meine Eltern, wie sie in der Nacht an ihrer Haustür gestanden und uns nach gewunken hatten, als wir im Auto davongefahren waren. Zusammen mit meinem zukünftigen Mann verließ ich die beschauliche Kleinstadt in Sachsen-Anhalt, die 46 Jahre lang meine geliebte Heimat gewesen war. Eine Heimat, die ich eigentlich niemals hatte verlassen wollen. Und nun begann bald die lange Reise in einen anderen Kontinent. In Deutschland ließ ich meine Eltern und meine erwachsenen Kinder zurück, um die ersten unsicheren Schritte in dieses neue Leben zu wagen. Wann ich meine Heimat und meine Familie wiedersehen würde, wusste ich an diesem Morgen in Berlin nicht. Würde ich für eine lange Zeit meiner kleinen Stadt fern sein oder gar für immer? Während ich den beiden noch aus dem fahrenden Auto zugewinkt hatte, waren sie immer kleiner und kleiner geworden, bis sie nicht mehr zu sehen waren. Verschwunden. So wie mein altes Leben. Der Schmerz des Abschieds war mir noch so gegenwärtig, aber gleichzeitig machte es mich stolz und glücklich, diesen ersten Tag meines neuen Lebens zu beginnen. Mein großer Traum, mein langersehnter Wunsch, die Sehnsucht nach der großen Liebe war in Erfüllung gegangen! Wir saßen in der Flughafenhalle und warteten auf unseren Flieger nach Amsterdam. Von dort sollte es weitergehen nach Amerika.
Während ich aufgeregt in der Flughafenhalle hin und her lief, saß der Mann, der mit mir in ein neues Leben fliegen wollte, ganz ruhig da und las die „Berliner Morgenpost“. Sein Anblick ließ mich ruhig werden. Vielleicht, weil er mich an unsere gemütlichen Abende zu Hause in meiner kleinen Wohnung erinnerte.
Doch von dieser Vertrautheit war nur er geblieben. Alles andere hatte ich hinter mir gelassen: meine Familie, meine Freunde, meine Wohnung und meine Arbeit als Kindergärtnerin. Stattdessen lag eine unbekannte Zukunft vor mir. Eine Zukunft in einem Land, das ich nicht kannte, dessen Sprache ich nicht verstand und wo kein Mensch mir vertraut war. Würde ich mich dort zu Hause fühlen können? Zuhause, wo oder was war das jetzt? Wie es schien, waren es diese vier Koffer und zwei Taschen. Rechts neben mir meine Handtasche mit den Flugtickets, Reisepässen, Kanadischen Dollars, Amerikanischen Dollars, Euros, meinem Fotoapparat und Zigaretten. Dann noch zwei gekochte Eier und sechs deutsche Wurstbrote, die wir aus der Heimat mit auf den neuen, unbekannten Weg nahmen. Die letzten deutschen Stullen überhaupt für eine sehr lange Zeit!
Es regnete immer noch in Berlin. Wir saßen auf einer Bank am Fenster und warteten auf den Abflug. Meine Gedanken wurden abrupt unterbrochen, als die Durchsage zum Check-in über den Lautsprecher ertönte. Die Durchsage für unser neues Leben! Wir suchten unsere Plätze im Flugzeug auf, und während die Flugbegleiterin ihre Anweisungen sprach, begannen die Turbinen zu brummen. Dieses monotone, aber doch laute Geräusch war sehr beruhigend. Schlafen konnte ich dennoch nicht, obwohl ich durch die Aufregungen der vergangenen Tage sehr müde war. Vielmehr versetzte mich dieses monotone Geräusch in eine Art Wachtraum und Bilder der Vergangenheit liefen wie ein Film in meinem Kopf ab.
Kapitel 1
Während mein Körper langsam erwachte, befand sich meine Seele noch in einem Dämmerzustand. Wenn ich jetzt einen Wunsch freigehabt hätte, hätte ich mich für den Schlaf entschieden, selbst wenn es ein ewiger gewesen wäre. Ich wollte einfach nicht erwachen, genauso wenig wirklich wahrnehmen, wo ich mich befand. Wie unter Zwang öffnete ich meine Augen. Aber was ich sah, wollte ich eigentlich nicht sehen. Alles war so unwirklich, da half selbst der in der vergangenen Nacht reichlich getrunkene Rotwein nicht. Dieser hatte mich alles Elend nur für ein paar Stunden vergessen lassen. Doch jetzt, an diesem Sonntagmorgen im Dezember 1999, war alles wieder unglaubliche Realität. Der Raum und selbst das Bett waren mir so fremd. In meine Nase stieg der schwache Duft von neuen Tapeten und frischer Farbe. Es war der Geruch dieser neuen Wohnung, die ich abgrundtief
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