Julia Saison Band 13 (German Edition)
Und wenn doch einmal etwas vergessen wurde, war sie sich nicht zu schade dafür, den Geldeintreiber zu umschmeicheln. Heute sollte das eigentlich nicht anders sein als sonst.
Doch Parker Sutcliffe war kein gewöhnlicher Geldeintreiber. Er hatte sie in flagranti erwischt, und nun würde er sie auf die Straße setzen. Was bedeutete, dass es Daisys Aufgabe war, ihn umzustimmen.
Dummerweise hatte sie jedoch letzte Nacht im Traum keinen genialen Geistesblitz gehabt. Nur ein paar erotische Bilder von Parker.
Leider half ihr das keinen Schritt weiter.
„Lydia, hilf mir, damit die Schleifen ein bisschen hübscher aussehen. Als Mr Sutcliffe gestern vorbeigekommen ist, waren wir nicht gerade in Bestform. Deshalb muss alles perfekt sein, wenn er nachher wiederkommt.“
„Glaubst du, er wird uns heute netter finden?“, fragte Nola.
Daisy kamen beinahe die Tränen. Am liebsten hätte sie mit beiden Fäusten auf Parkers breite Brust eingeschlagen.
„Vielleicht findet er uns netter, wenn wir mit ein paar Dollarscheinen wedeln.“ Daisy bemühte sich um einen zuversichtlichen Ton. „Ich kenne solche Typen. Männer, die es gewohnt sind, ihren Willen durchzusetzen. Falls wir ihn davon überzeugen, dass die ‚Für-Immer-Und-Ewig‘-Kapelle ihm einen Gewinn einbringen könnte, wird er möglicherweise alles so lassen, wie es ist. Vielleicht würde er uns einstellen und weiter hier wohnen lassen.“
Sie betrachtete die fröhlichen, aber billigen Schleifen, die sie mit Lydia zusammen an den Bänken befestigte, und sah sie unwillkürlich mit Parkers Augen. Beeindrucken würde ihn das alles hier nicht.
Aber er sollte auch nicht darüber spotten, das schwor sie sich. Wenn er sich über Lydia, John oder Nola lustig machte, würde sie ihm eine Ohrfeige verpassen. Die drei hatten ein hartes Leben hinter sich. Jetzt waren sie alt, hatten jedoch auch ihren Stolz. So wie Tillie ihren Stolz gehabt hatte. Daisy würde nicht zulassen, dass irgendein eingebildeter reicher Kerl auf sie alle herunterblickte.
Bloß weil sie sich in seinem Gebäude eingenistet hatten und damit gegen das Gesetz verstießen, wie ihr plötzlich nur allzu bewusst wurde. Parker Sutcliffe hatte das Recht auf seiner Seite und konnte die ganze Gruppe ohne Weiteres hinauswerfen.
Drei alte Leute waren abhängig von ihr. Und ihr Baby. Noch immer fiel es ihr schwer zu glauben, dass sie bald Mutter wurde. Eine beängstigende Vorstellung, doch Daisy war fest entschlossen, es hinzukriegen. Kein Heim für ihr Kind zu haben, wäre eine Katastrophe. Also, was nun?
Jedenfalls durfte sie keine Dummheit begehen. Irgendwie würde sie es schon schaffen.
Als Parker mit seinen Unterlagen in der Hand in die Kapelle kam, bemerkte er, dass jemand sich Mühe gegeben hatte, den Raum zu verschönern. Die rosa Schleifen auf den Bänken sahen hübscher aus als die von gestern. Zwei Topfpflanzen standen auf der kleinen Bühne vorne, und die Vorhänge waren zurückgezogen, sodass die Morgensonne hereinschien. Obwohl die Kapelle durch das Licht viel heller wirkte, zeigte es jedoch auch, dass die Bänke mit ihren glänzend abgewetzten Polstern ziemlich alt waren.
„Wir werden die Polster erneuern, sobald wir das Geld dafür haben. Aber wir wollten Ihnen zeigen, dass dies ein schöner Ort für eine gute altmodische Hochzeit ist. Mit ein bisschen Kapital könnte die Kapelle noch besser aussehen. Wir bedienen hier eine Nische, die die großen, bombastischen Kapellen nicht ausfüllen können. Leute, die etwas Gemütliches, Liebevolles, nicht allzu Teures suchen, kommen zu uns.“ Durch den Mittelgang ging Daisy auf ihn zu. Obwohl sie lächelte, wirkte ihr Blick misstrauisch.
„Daisy, ich habe Ihnen doch gesagt …“
„Ich weiß. Sie sind nicht am Hochzeitsgeschäft interessiert. Ich habe gestern Abend noch im Internet über Sie nachgeforscht. Ich weiß, was Ihre Firma macht, welche Grundstücke Sie besitzen und mit welchen Frauen Sie zusammen waren. Mit kleineren Geschäftszweigen geben Sie sich gar nicht erst ab, richtig?“
„Ich habe nichts gegen kleine Geschäftszweige.“ Von links irgendwo hörte Parker ein leises Kichern. Daisy drehte sich halb um und schüttelte tadelnd den Kopf. „Ich habe bloß kein Interesse daran, der Eigentümer einer Hochzeitskapelle zu werden. Das ist nicht der Geschäftsbereich, in den ich investiere.“
„Sie wollen damit nicht in Verbindung gebracht werden, habe ich recht? Das meine ich nicht als Kritik. Wir sind nicht besonders vornehm, das ist
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