Kabal: Gesamtausgabe der Order of Burning Blood Trilogie Band I bis III (German Edition)
»Ein Spanner?«
»Ein einsamer junger Mann. Wir wurden Freunde, nachdem ich ihn deswegen verprügelt hatte.« Charna lachte herzhaft und ihre Stimme warf laute Echos. Sie hielt sich die Hand vor den Mund. »Danach verstanden wir uns ... erheblich besser.«
»Ich verstehe.«
»Wir haben uns über viele Jahre hinweg immer wieder hier getroffen und sind heimlich in die Tiefen hinabgetaucht. Wir verbrachten Tage da unten, wo die Räume und Hallen überschwemmt sind. Dort sind womöglich mehr Geheimnisse vergraben, als mir bewusst ist.«
Seraphia trat an das seichte Ufer des Sees und versuchte, in seine Tiefe hinabzublicken. Ihr Blick viel durch glasklares Wasser.
»Wie lange taucht man bis zum Grund?«
»Stundenlang. Ein Ort, den wir eines Tages besuchen sollten.«
Seraphia lächelte. »Eines Tages ...«, murmelte sie und erinnerte sich an die Abmachung, die sie mit Charna getroffen hatte.
Ob es ihnen gelang, eines Tages all die Welten zu besuchen? Einfach nur zum Spaß?
Sie umrundeten schweigend den ausgedehnten See, hielten schließlich an einer uralten Steinbank an und setzten sich darauf.
Charna seufzte. »Es ist zwar bereits eine Weile her, dass wir mit Uskai gesprochen haben, aber es wird unter Umständen noch länger dauern, bis er zurück ist. Wir sollten es uns gemütlich machen.«
Sie setzten sich, schwiegen und blickten in die Nebelschleier, die vom See aufstiegen.
Seraphia zog die Stirn kraus, als sie sich an den dunklen Traum erinnerte, durch den sie Kujaans Erinnerungen erlebt hatte. Die Macht der Dunklen Flamme war still gewesen, seit sie den Traum mit Charna erneut durchlebt hatte, doch sie hörte ein leises Flüstern, wenn sie einen Moment abgelenkt war, oder ihre Gedanken ziellos dahintrieben. Sie wusste, dass ihr eigener Kampf mit dieser schrecklichen Macht noch nicht überstanden war. Ihre größte Prüfung stand ihr noch bevor. Sie spürte eine warme Hand auf ihrer verkrampften Faust und zuckte zusammen.
»Ich bin bei dir, Sera. Hab keine Angst! Wir werden das gemeinsam durchstehen.«
Charna lächelte sie warmherzig an, schien ihre Gedanken zu lesen. Seraphia nickte und biss sich auf die Unterlippe. Tränen verließen ihre Augen, bevor sie ihre Selbstkontrolle zurückerlangte. Charna strich sie fort und zog sie zu sich. Sie klammerte sich an der Hohepriesterin fest und schluchzte unkontrolliert. Es war, als hätte sie eine Tür aufgestoßen, die seit einigen Stunden verschlossen war. Hinter dieser Tür herrschte ein verwirrendes Dickicht aus Licht und Schatten und im Zwielicht dazwischen lauerte der Wahnsinn, den sie mehr fürchtete, als irgendetwas sonst.
Seraphia versuchte dennoch, sich zu zusammenzureißen.
»Ich jammere wie ein Kleinkind ... tut mir leid!«, murmelte sie mit gedämpfter Stimme in den Pelz an Charnas Jacke.
»Ist schon gut, mein Engel.«
»Schade, dass du ihr Gesicht nicht sehen kannst. Sie verdreht die Augen ... was bist du nur für ein jämmerliches Häufchen Dreck!«
Seraphia zuckte zurück und stand auf, wischte sich mit einer ruckartigen Bewegung die Tränen aus dem Gesicht. Charna sah sie verblüfft an und erhob sich ebenfalls.
»Was ist? Hast du etwas gespürt? Ist mir etwas entgangen?«
Die Hohepriesterin verstand ihr Verhalten falsch und wirkte alarmiert, sah sich in der Halle um, einen angespannten Blick auf den einzigen Zugang werfend, als ob sie einen Angriff erwartete. Seraphia wandte sich ab und warf sich die Kapuze des Mantels über den Kopf.
»So ist es richtig. Verbirg nur deine hässlichen schwarzen Augen ... wenn sie dich so sähe, würde sie dich bei lebendigem Leibe zu einem Haufen Asche verbrennen!«
Charna trat näher. »Sera, was ist los?«
»Lass mich!«, sagte sie mit dunkler Stimme und Charna zuckte zurück.
Sei still, du Biest! Ich bin deine Worte leid! Charna hat mehr Verständnis für mich, als du jemals haben könntest! Sie würde mir niemals etwas antun!
»Glaubst du das wirklich? Du bist noch dümmer, als jeder denkt! Kein Wunder, dass sie alle so ein leichtes Spiel mit dir haben!«
»Sei still! Halt den Mund! Ich will dich nicht mehr sprechen hören, hast du mich verstanden, du Teufel!«
Charna zuckte zusammen und trat ein paar Schritte zurück, als Seraphia sie anschrie. Ihr Blick fiel auf Seraphias schwarze Augen und wurde zunehmend besorgter.
Was habe ich gesagt?
Ein Lachen verhallte in ihrem Kopf und ließ sie zitternd auf die Knie sinken. Sie vergrub das Gesicht in ihren Händen und brach in Tränen aus. Es
Weitere Kostenlose Bücher