Kabeljau und Kaviar
immer etwas ein.«
»Rate mal, was mir gerade Schönes
eingefallen ist«, flüsterte Max in ihr weiches Haar.
»Da muß ich dich leider enttäuschen,
Liebling«, klärte seine Frau ihn auf, »denn Cousin Brooks wird in etwa zwei
Minuten hier eintreffen, um die Gardinenstangen anzubringen.«
Max hatte die Gardinenstangen völlig
vergessen. Verständlicherweise, könnte man meinen. Er haßte diese kniffligen
Arbeiten, die ständig im Haus zu erledigen waren und für die Sarahs erster Mann
stets so gut zu gebrauchen gewesen war. Alexander hätte die Stangen sicher
schon längst angebracht. Verflixt, würde er nie aufhören, auf einen Toten
eifersüchtig zu sein?
»Warum hast du mich nicht daran
erinnert?« knurrte er. »Ich habe dir doch versprochen, daß ich es mache.«
»Das hast du, und zwar vor einer Woche
und vor zwei Wochen schon mal. Cousin Brooks bringt sie aber heute nachmittag
an. Das ist eben der Unterschied zwischen euch beiden. Na ja, einer der weniger
gravierenden Unterschiede.«
Sie zupfte ihn am Haar. Max hatte
wunderschönes Haar, dicht und wellig und dunkelbraun. Sarahs Haar war von einem
ganz gewöhnlichen Braun, doch brachte es ihr etwas eckiges, blasses, aber
hübsches Gesicht sehr vorteilhaft zur Geltung. Ihre Augen waren haselnußbraun
mit grünen Einsprengseln. Seine Augen waren entweder blau oder grau, Sarah war
sich da nie so ganz sicher. Doch sogar im weitverzweigten Clan der Kellings war
man sich inzwischen darüber einig, daß Sarah und ihr neuer Ehemann kein übles
Paar abgaben.
Natürlich war dieser Bittersohn, wer
auch immer er sein mochte, lange nicht so attraktiv wie der verstorbene
Alexander Kelling, doch wer konnte das schon von sich behaupten? Wenigstens war
Max nicht vierundzwanzig Jahre älter als Sarah. Außerdem verdiente er mit
seiner Arbeit als Privatdetektiv einen Haufen Geld. Und er beschäftigte sich
mit verschwundenen Kunstgegenständen und nicht etwa mit
Scheidungsangelegenheiten. Alles in allem war bis auf Cousine Mabel nahezu
jeder der Meinung, daß Sarah es schlechter hätte treffen können.
Die beiden waren im vergangenen Juni im
Garten von Ireson’s Landing getraut worden. Sarahs Cousin Dolph war Brautführer
gewesen, weil er einen Riesenaufstand gemacht hätte, wenn sie ihm dies verwehrt
hätte. Max’ Neffe Mike war aus demselben Grund Trauzeuge geworden. Jed Lomax,
der Hausverwalter, und seine arthritisgeplagte Frau waren als Ehrengäste
geladen. Cousine Theonia hatte den Hochzeitskuchen gebacken und Max’ Schwester
Miriam die Knyschy. Mariposa und Charles, Sarahs Verbündete aus der
Pension, hatten alles in Szene gesetzt. Diesmal hatte es ausnahmsweise keine
Leichen gegeben, und niemand war besonders betrunken gewesen oder von einer
Biene gestochen worden. Nicht einmal einen Streit hatte es gegeben. Manch einer
hätte ihre Hochzeit langweilig gefunden, doch Max und Sarah hatten sie aus
vollem Herzen genossen.
Seitdem machten sie immer wieder
Flitterwochen, sobald Max’ Arbeit es erlaubte, und zogen sich zwischen den
Reisen in die Wohnung im Kutscherhaus von Ireson’s Landing zurück, bis der
nahende Winter sie endgültig in die Stadt trieb.
In dem alten roten Sandsteinhaus der
Kellings auf Beacon Hill gab es im wahrsten Sinne des Wortes keinen Platz mehr,
ihr müdes Haupt zu betten. Sarah hatte sämtliche Zimmer vermietet und brachte
es einfach nicht übers Herz, irgend jemanden an die Luft zu setzen. Max war
froh darüber. Es hätte ihm ganz und gar nicht gefallen, sie mit einem Haus
voller Menschen und Erinnerungen an ihre erste Ehe zu teilen. Dafür bezahlte er
sogar bereitwillig jeden Monat die horrende Miete für ihre kleine Wohnung, die
durch eine glückliche Fügung im Nebenhaus frei geworden war. Zu den Mahlzeiten
gingen sie ein oder zwei Mal die Woche hinüber in Sarahs altes Haus, um mit
Brooks und Theonia und den zahlenden Gästen gemeinsam zu essen.
Sie hatten sich immer noch nicht ganz
eingewöhnt. Sarah lief sich die Füße wund, um die richtigen Möbel zu finden,
wobei sie gleichzeitig die Einkäufe sowohl für Weihnachten als auch für Chanukkah zu bewältigen hatte, ganz zu schweigen von den Anpassungsschwierigkeiten, die
ihr die frisch angeheiratete Verwandtschaft bereitete. Max hatte einen neuen
Klienten, der unbedingt sofort seinen gestohlenen van Dyck zurückhaben wollte;
und ein ganzer Berg unbewältigter Arbeit wartete außerdem. Im Grunde hatten sie
beide keine Zeit, sich um den silbernen Kabeljau von Jeremy Kelling zu
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