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Kabeljau und Kaviar

Kabeljau und Kaviar

Titel: Kabeljau und Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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sitzen durfte. Gerade erst im November, als
der letzte Allerwerteste in aller Form abgedankt hatte und die Brüder verlauten
ließen, es sei nunmehr an der Zeit, einen bisher noch nie dagewesenen Frevel zu
begehen, hatte man ihn in Amt und Würden gehoben. Dies war nun sein erster
Versuch, den Vorsitz zu führen, und wenn dieser Mistkerl Ogham sich einbildete,
er könnte Jems großen Auftritt vermasseln, dann hatte er sich bei Gott
geschnitten. Jem ignorierte das zweifellos boshafte Grinsen des Geistes der
diesjährigen Weihnacht und verbeugte sich galant in Richtung des ältesten
Clubmitglieds.
    »Seid bedankt, Ehemals Allerwertester,
mit einem herzlichen Pah! Humbug! Brüder, einen dreifachen Gruß für den Geist
der zukünftigen Weihnacht!«
    Woraufhin man seiner Bitte eifrig Folge
leistete. Vielleicht waren einige der Meinung, daß dies das letzte ›Pah!
Humbugh sein könnte, das ihrem einst so tatkräftigen Vorsitzenden in diesem
Leben noch zuteil wurde. Es war ein wahrhaft ergreifender Augenblick. Selbst
Obed Ogham schien einen schwachen Anflug von Reue wegen seines geschmacklosen
Scherzes zu verspüren. Jedenfalls schwang auch in seinem ›Humbug!‹ ein wenig
von der gebührenden Feierlichkeit und Würde mit.
    Doch sie waren nicht zusammengekommen,
um ernst und würdig zu sein, und Jeremy Kelling wäre der letzte Scrooge
gewesen, der das behauptet hätte. »Bob Cratchit«, befahl er, »mach, daß du an
die Arbeit kommst, oder ich werde dir eine halbe Krone von deinem Gehalt
abziehen und dir deinen Kohleneimer abnehmen.«
    »Zur Stelle, Allerwertester.« Bob
Cratchit, seinen Untergebenen als Mr. Ashbroom, seiner Gattin als Edward und
einer gewissen Dame in einem Apartment in der Joy Street als Schnuckiputzi
bekannt, eilte katzbuckelnd um den Tisch herum und füllte eifrig die Gläser mit
Wein auf, ganz wie es sich für einen Bediensteten gehörte.
    »Und jetzt bitte ich den Kleinen Tim um
seinen furchtbaren Fluch.«
    Bruder Durward, der seine Brille
abgenommen hatte, damit er das Ekelobjekt nicht sehen mußte, setzte sie wieder
auf die Nase und hielt auf dem Tisch suchend nach seinem Weinglas Ausschau.
Schließlich entdeckte er es zwei Grad Südost von seinem Teller und schaffte es
nach mehreren Versuchen, den Stiel sicher zu fassen. Dann erhob er sich, um
seine unsterbliche Zeile zu sprechen.
    »Pah! Humbug! Euch allen!«
    Bob Cratchit schniefte gerührt: »Ist
das nicht ergreifend?«
    »Pah! Humbug! Du alter Schwachkopf«,
zischte Obed Ogham. »Und was dich betrifft, du frecher Bengel, noch ein Wort
von dir, und ich zerschlage dir deine Krücke. Brüder, meint Ihr nicht auch, daß
Scrooge uns jetzt langsam etwas zu essen vorsetzen sollte?«
    Weder durch ein Wort noch einen Blick
oder auch nur durch ein Beben der Nasenflügel ließ sich Jeremy Kelling
anmerken, daß er das Plastikrentier eigentlich nur für das zweitschlimmste
Objekt in dieser Runde hielt. Er fuhr statt dessen unbeirrt mit der
Tagesordnung fort.
    »Marleys Geist, seid so gut und bringt
uns die Letzte Ruhestätte.«
    »Unverzüglich, Allerwertester.«
    Bei Tom Tolbathy konnte man wenigstens
davon ausgehen, daß er nicht aus der Rolle fiel. Er meisterte seine Kettenlast
ebenso geschickt wie seine Großmutter ihre Tournüre, rasselte in eine Ecke des
Versammlungsraumes und kehrte mit einem lamettabehangenen Mülleimer zurück.
Jeremy Kelling nickte ihm dankend zu und hob das Ekelobjekt hoch über seinen
Kopf.
    »Brüder des Geselligen Kabeljaus, laßt
uns Weihnachten auf unsere Weise begehen.«
    »Wal, da bläst er«, rief Wouter
Tolbathy. Eine erstaunlich passende Bemerkung für Wouter.
    Rudolf, das Rentier mit der roten Nase,
erwies sich als zu groß für die Letzte Ruhestätte, doch Marleys Geist löste das
Problem, indem er ein Klappmesser aus seinem überladenen Kostüm hervorzauberte
und Rudolf in den Rentierleib stieß, begleitet vom donnernden Applaus der
Anwesenden. Der Allerwerteste Fischkopf stopfte daraufhin das jetzt schlaff
gewordene Ekelobjekt in die Mülltonne, warf das Federröckchen hinterher und
wischte sich die Hände ab.
    »Hipp hipp hurra! Ich fühle mich so
übermütig wie ein Schuljunge! Cratchit, her mit der Flasche. Mrs. Cratchit, den
Chowder, bitte.«
    Es wäre für die Clubmitglieder des
Geselligen Kabeljaus undenkbar gewesen, etwas anderes als echten Bostoner
Fischchowder zu bestellen, völlig ohne jeden überflüssigen Schnickschnack
zubereitete Hausmannskost, und genau das bekamen sie auch. Die Serviererin,

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