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Kaeltezone

Kaeltezone

Titel: Kaeltezone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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vorsichtig ein. Eine nackte Glühbirne erhellte den Raum.
    Emíl wurde seiner erst gewahr, als er direkt neben ihm stand. Sein Jackett hing über der Stuhllehne, und er glaubte zu erkennen, dass es zerrissen war, wie nach einer Prügelei. Emíl brummte wütend vor sich hin. Urplötzlich schien er seine Nähe zu spüren. Er blickte von den Karten auf, die vor ihm ausgebreitet waren, drehte langsam den Kopf und schaute ihn an. Er sah, dass Emíl einige Zeit brauchte, um zu begreifen, wer da vor ihm stand.
    »Tómas«, stöhnte er dann. »Bist du das?«
    »Grüß dich, Emíl«, sagte er. »Die Tür war offen.«
    »Was machst du denn hier?«, fragte Emíl wie vom Donner gerührt. »Was … wieso weißt du …«
    »Ich bin hinter Lothar hergegangen«, sagte er. »Ich bin ihm von der Ægisíða bis hierher gefolgt.«
    »Du bist Lothar gefolgt?«, fragte Emíl ungläubig. Er stand auf, ohne die Augen von ihm abzuwenden. »Was willst du hier?«, fragte er. »Warum bist du Lothar nachgegangen?« Er schaute in Richtung Tür, als erwarte er noch weitere Gäste. »Bist du allein?«, fragte er.
    »Ja, ich bin allein.«
    »Was willst du hier?«
    »Du erinnerst dich an Ilona?«, sagte er. »In Leipzig.«
    »Ilona?«
    »Ilona und ich waren zusammen.«
    »Natürlich erinnere ich mich an Ilona. Was ist mit ihr?«
    »Kannst du mir sagen, was aus ihr geworden ist?«, fragte er. »Kannst du es mir jetzt vielleicht sagen, nach all diesen Jahren? Weißt du etwas darüber?«
    Er wollte nicht zu angespannt wirken, sondern ruhig und gelassen, aber das war ein hoffnungsloses Unterfangen. Man konnte in seiner Miene lesen wie in einem offenen Buch, die jahrelangen Leiden wegen der Frau, die er liebte und verloren hatte, waren offenkundig.
    »Wovon redest du eigentlich?«, sagte Emíl.
    »Von Ilona.«
    »Denkst du wirklich immer noch an sie? Nach all diesen Jahren?«
    »Weißt du etwas? Weißt du, was aus ihr geworden ist?«
    »Ich weiß überhaupt nichts. Ich weiß nicht, wovon du redest, und hab es nie gewusst. Du hast hier nichts zu suchen. Geh.«
    Er blickte sich in dem Schuppen um.
    »Was machst du hier eigentlich?«, fragte er. »Was ist das für ein Schuppen? Seit wann bist du wieder in Island?«
    »Sieh lieber zu, dass du verschwindest«, sagte Emíl und schaute besorgt zur Tür. »Wissen noch mehr Leute, dass ich hier bin?«, fragte er dann. »Wissen noch andere Bescheid über mich?«
    »Kannst du mir sagen, was aus Ilona geworden ist?«, beharrte er.
    Emíl sah ihn an und wurde plötzlich wütend.
    »Mach, dass du rauskommst, habe ich gesagt. Verpiss dich! Ich kann dir bei diesem Quatsch nicht weiterhelfen.«
    Emíl versuchte, ihn zur Tür zu drängen, aber er rührte sich nicht von der Stelle.
    »Was hast du dafür bekommen, dass du Ilona verraten hast?«, fragte er. »Was haben sie ihrem Vasallen gegeben? Hast du Geld gekriegt? Oder gute Noten? Hast du Arbeit bei ihnen bekommen?«
    »Ich habe keinen blassen Schimmer, wovon du redest«, sagte Emíl. Er hatte bislang leise gesprochen, aber jetzt erhob er die Stimme.
    Er fand, dass Emíl sich seit damals stark verändert hatte. Er war zwar genauso mager wie früher, aber jetzt sah er kränklich aus und hatte dunkle Ringe unter den Augen. Seine Stimme war heiser, und seine Finger waren gelb vom Rauchen. Der große Adamsapfel sprang stark hervor und bewegte sich auf und ab, während er sprach. Das Haar war dünner geworden. Er hatte Emíl viele Jahre nicht gesehen und hatte ihn als jungen Mann in Erinnerung gehabt. Jetzt wirkte er mitgenommen und war aschfahl im Gesicht. Die Bartstoppeln in seinem Gesicht waren schon ein paar Tage alt, und er konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er ein Alkoholproblem hatte.
    »Es war meine Schuld, nicht wahr?«, fragte er.
    »Hör doch endlich mit diesem Quatsch auf«, sagte Emíl und wollte ihn wegschieben. »Hau ab!«, rief er. »Vergiss das Ganze!«
    Er trat einen Schritt zurück.
    »Ich selbst habe dir davon erzählt, was Ilona damals gemacht hat, nicht wahr? Ich selbst habe dich auf ihre Spur gebracht. Falls ich dir nichts gesagt hätte, wäre sie vielleicht davongekommen. Sie hätten nichts über die geheimen Treffen gewusst. Sie hätten uns nicht fotografieren können.«
    »Mach, dass du rauskommst!«
    »Ich habe mit Hannes gesprochen. Er hat mir von dir und Lothar erzählt. Er hat mir gesagt, dass Lothar und die FDJ-Funktionäre in der Uni dafür gesorgt haben, dass du zur Belohnung gute Noten bekommen hast. Dir ist das Studium schwer

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