Kain
einhundertfünfzig Meter, praktisch ein Flugzeugträger. Am erstaunlichsten war jedoch, wie sie die Nägel ins Holz schlugen. Dazu benutzten sie keinen Hammer, sie setzten den Nagel senkrecht mit der Spitze nach unten auf und schlugen mit der geballten Faust einmal kurz auf den Kopf, worauf der Metallstift widerstandslos in das Holz eindrang, als wäre es keine steinharte Eiche, sondern Butter im Sommer. Noch verblüffender war zu sehen, wie sie ein Brett hobelten, sie legten die flache Hand darauf und bewegten sie hin und her, wobei kein Hobelspan und kein Sägemehl abfiel, das Brett wurde einfach nur dünner, bis es die richtige Stärke hatte. Und wenn es galt, ein Loch für einen Bolzen zu bohren, genügte ihnen ihr eigener Zeigefinger. Beeindruckend, sie so arbeiten zu sehen. Deshalb verwundert es nicht, dass der Bau mit einer zuvor unvorstellbaren Geschwindigkeit Fortschritte machte, sodass man kaum Zeit hatte, die Veränderungen zu bewundern. In dieser Zeit erschien der Herr nur ein einziges Mal. Er erkundigte sich bei Noah, ob alles gut lief, wollte wissen, ob Kain der Familie half, und gewiss doch, Herr, ja, er half, der Beweis dafür war, dass er schon mit zwei Schwiegertöchtern geschlafen hatte und Anstalten machte, mit der dritten zu schlafen. Der Herr fragte Noah auch, wie es mit den Tierpaaren aussah, die in die Arche sollten, und der Patriarch sagte, ein guter Teil sei schon beisammen, und sobald der Archenbau beendet sei, würden sie die noch fehlenden einfangen. Das stimmte nicht, es war nur ein kleiner Teil der Wahrheit. Tatsächlich befanden sich einige Tiere, Vertreter der gewöhnlichsten Arten, in einem Gehege am anderen Ende des Tals, sehr wenige, gemessen an dem, was im Plan des Herrn vorgesehen war, nämlich sämtliche lebenden Tiere mitzunehmen, vom dickbäuchigen Flusspferd bis zum unbedeutenden Floh, nicht zu vergessen, was es an noch kleineren gab, auch die Mikroorganismen, denn das sind ebenfalls Lebewesen. Lebewesen in diesem weit und großzügig gefassten Sinn sind außerdem manche Tiere, von denen in gewissen Zirkeln, die sich der Esoterik widmen, viel gesprochen wird, doch konnte sich noch nie jemand rühmen, sie gesehen zu haben. Dabei denken wir zum Beispiel an das Einhorn, den Vogel Phönix, den Greif, den Zentauren, den Minotaurus, den Basilisken, die Schimäre, dieses ganze ungestalte, uneindeutige Viehzeug, das nur eine einzige Daseinsberechtigung hat, nämlich die, dass es von Gott in einer Laune erschaffen wurde wie der gewöhnliche Esel auch und die unzähligen anderen, die diese Erde bevölkern. Man kann sich vorstellen, wie stolz Noah wäre, welches Ansehen, welche Geltung er in den Augen des Herrn würde genießen können, wenn er es schaffte, eines dieser Tiere zum Betreten der Arche zu überreden, vorzugsweise das Einhorn, vorausgesetzt er kann es irgendwann ausfindig machen. Das Problem mit dem Einhorn ist, dass man von ihm kein Weibchen kennt, es folglich keine Möglichkeit hat, sich auf dem normalen Weg der Befruchtung und Tragzeit zu vermehren, obwohl, wenn man es genauer bedenkt, dies vielleicht gar nicht nötig ist, schließlich ist biologische Kontinuität nicht alles, es reicht schon, dass der menschliche Geist immer wieder neu erschafft, woran er insgeheim glaubt. Bei allen Arbeiten, die es noch zu erledigen gilt, wie das Einfangen der restlichen Tiere und die Versorgung mit Proviant, hofft Noah, auf die kompetente Hilfe der Arbeiterengel zählen zu können, die, das sei zu ihrer Ehre gesagt, nach wie vor mit uneingeschränkt lobenswertem Eifer arbeiten. Ganz offen sprechen sie miteinander darüber, dass das Leben im Himmel das Langweiligste ist, was je erfunden wurde, weil dort der Chor der Engel ständig in alle vier Himmelsrichtungen die Größe des Herrn, die Großzügigkeit des Herrn, ja selbst die Schönheit des Herrn lobpreise. Es sei an der Zeit, dass diese und auch die anderen Engel die einfachen Freuden gewöhnlicher Leute kennenlernen, nicht immer wird es nötig sein müssen, zur größeren Erbauung des Geistes Sodom niederzubrennen oder Posaunen zu blasen, damit die Mauern von Jericho einstürzen. Zumindest in diesem Fall war, von der speziellen Warte der Arbeiterengel aus betrachtet, das Glück auf Erden in jeder Hinsicht dem überlegen, was man im Himmel erleben konnte, doch natürlich durfte der Herr, so neidisch, wie er war, nichts davon erfahren, sonst würde er die aufmüpfigen Gedanken der Engel ohne Rücksicht auf ihren Rang drastisch
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