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Kalt, kaltes Herz

Kalt, kaltes Herz

Titel: Kalt, kaltes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Ablow
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würde ihn nicht daran hindern zu gestehen – wenn auch mit schwerer Zunge. Doch im Augenblick konnte ich nicht mehr tun, als ihm eine ungestörte Nacht zu verschaffen, bevor ich ihn am Morgen wieder besuchte.
    Ich hatte keine Kraft und kein Geld mehr – zwei Dinge, die sehr eng miteinander verknüpft sind, wenn man Koks braucht. Nachdem ich den Rest meines Vorrats geschnupft hatte, fuhr ich zu meiner Mutter, die in Heritage Park wohnt. Wir hatten uns am Vortag zum Abendessen verabredet, und ich hatte ihr auf den Anrufbeantworter gesprochen, daß ich finanziell auf dem trocknen saß.
    Heritage Park ist eine Ansammlung von fünfstöckigen Häusern aus Glas und Stahl. Ursprünglich wollte man mit dieser Siedlung am Hafen Lynns Niedergang aufhalten, doch statt dessen wurde sie vom Elend überrollt und schließlich zur Sozialwohnungsanlage für Alte, Behinderte und Mittellose umfunktioniert. Meine Mutter gehörte zur ersten Kategorie: Sie war siebzig. Was ihre Gesundheit betraf, behauptete sie, nie einen Tag im Leben krank gewesen zu sein, obwohl sie seit fünfzehn Jahren an Diabetes litt. Und mittellos war sie auch nicht. Die Lebensversicherung meines Vaters belief sich auf etwa eine halbe Million Dollar. An der Tür beugte ich mich herunter, um sie zu küssen. Ihre schmalen, kühlen Lippen streiften meine Wange. Dann trat sie ein paar Schritte zurück und musterte mich mit zusammengekniffenen Augen. »Du siehst krank aus.«
    Für meine Mutter sehe ich immer krank oder angeschlagen aus.
    Als Junge glaubte ich ihr und fühlte mich irgendwann wie ein Wrack. Vermutlich hat sie meinen Vater auf dieselbe Methode zermürbt. Mir geht es großartig«, sagte ich und schlenderte an ihr vorbei ins Wohnzimmer. »Hast du wieder Schwierigkeiten mit den Augen?«
    Sie blieb an der Tür stehen und betrachtete mich prüfend, während ich auf dem Sofa Platz nahm. Ihre Augen waren schmale Schlitze und von tiefen Krähenfüßen umgeben. Mit ihren einsfünfundfünfzig und ihren knapp fünfzig Kilo erinnerte sie mich an einen zähen Grashalm.
    »Dr. Fine hat mir gesagt, du solltest deine Netzhaut mit dem Laser behandeln lassen.«
    »Dein Freund möchte wohl ein bißchen abkassieren.« Sie rückte ihre Perlenkette zurecht, die sich an ihrer mageren Brust verfangen hatte, und humpelte in die Küche. Die Diabetes hatte den Großteil der Nerven ihres linken Fußes zerstört. »Mit meinen Augen ist alles in Ordnung. Ich sehe, was ich sehen will.«
    Damit hatte sie recht, dachte ich schmunzelnd. Ich erinnerte mich, ich, wie sie sich früher ins Schlafzimmer eingeschlossen und den Fernseher auf volle Lautstärke gedreht hatte, wenn mein Vater wieder einmal einen Wutanfall bekam. »Hast du meine Nachricht gekriegt?« rief ich in Richtung Küche.
    »Nein ...«
    »Ich habe dir auf den Anrufbeantworter gesprochen.«
    »Ja?«
    Ich griff nach einem Objekt aus geblasenem Glas, das aussah wie ein Bonbon. Wie fast alles in diesem Zimmer war es unecht, Vorspiegelung falscher Tatsachen. Die Einrichtung – auch die riesigen, ungelesenen Bildbände auf dem Couchtisch, die antike Brille, hochkant auf einem Beistelltischchen, und das Seidenblumengesteck auf dem Sims des falschen Kamins – sollte wohl einen wohnlichen Eindruck vermitteln. Aber ich fühlte mich wie in der Verkaufsausstellung eines Möbelhauses. »Es ging um die Raten für mein Haus«, rief ich.
    »Das? Ach ja, das habe ich mitbekommen.« Sie stellte unsere Teller auf den Eßzimmertisch. »Ich hoffe, du magst Thunfisch immer noch so gerne. Ich habe im Star Market ein gutes Stück ergattert.«
    Ich kann Fisch auf den Tod nicht ausstehen, und ich war sicher, daß meine Mutter das nicht vergessen hatte – wenn auch nur im Unterbewußten. »Thunfisch hört sich gut an«, sagte ich.
    »Dann setz dich.«
    Ich ließ mich am Eßtisch nieder, versuchte nicht auf den Geruch des Fisches zu achten, der sich mit dem ihres Parfüms mischte, und stocherte um die Tomaten in meinem Salat herum (davon bekomme ich nämlich einen allergischen Hautausschlag).
    »Wie geht es deiner Kathy?« fragte meine Mutter, während sie ihren Fisch in schachbrettartige Würfel schnitt. »Ausgezeichnet.«
    »Sie hat sich nie für das Armband bedankt, das ich ihr zum Geburtstag geschickt habe, und das war vor einem Monat.« Sie blickte mich an, während sie auf einem ihrer Fischquadrate herumkaute. »Stimmt etwas nicht?«
    »Sie hatte im Krankenhaus viel zu tun.«
    »Die Leute kriegen Babys wie die Wilden. Wahrscheinlich hättest

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