Kalter Schlaf - Roman
Jugendjahre schien er sich gefangen zu haben. Er hatte einen Kunstkurs belegt. Kate wäre jede Wette eingegangen, dass er sich vor allem bildhauerisch betätigt hatte. Sie schüttelte den Gedanken an Creed ab und nahm wieder am Gespräch der anderen teil.
Bernie schlürfte seinen Kaffee. »Ein richtiger Hochstapler, Doc. Ein Schwindler. Nachdem der Spätzünder Creed seine forensische Ausbildung abgeschlossen hatte, war er Anfang der Neunzigerjahre in der Bradford Street stationiert. Dort war damals die Regionalzentrale. Ich habe mit ein paar Leuten geredet, die damals seine Kollegen waren. Keiner wusste, dass er schwul war.« Er schüttelte den Kopf. »Creed hat die Unterlagen aller unserer Fälle sabotiert. Er hat Amélie Dijon befragt, indem er sich als Furman ausgegeben hat. Übrigens hat der Chief sich Furman wegen seiner Managementmethoden vorgeknöpft. Aber ich glaube nicht, dass der Arsch daraufhin seine Grundeinstellung ändern wird.«
Kate betrachtete ihn mit hochgezogenen Augenbrauen. »Bernie, das hat fast wie eine psychologische Analyse geklungen«, sagte sie lächelnd.
Bernie sah Maisie nach, die mit Mugger auf dem Arm hinausging.
»Ja, nun … du hattest übrigens recht, was sein weiteres Motiv betrifft.«
Kate schüttelte den Kopf. »Er hat mit Sadismus Geld verdient. Indem er Hardcore-Pornografie produziert hat. So konnte er jeden der Morde beliebig oft genießen – und seine Kunden indirekt ebenfalls.«
Bernie machte ein angewidertes Gesicht. »Die bekommen jetzt alle Besuch von den Oberen. Wir haben einen Kalender gesehen, an dem Creed gearbeitet hat. Er hat ihn ›Work in Progress‹ genannt. Seinen Kunden hat er mitgeteilt, dass er auf kaltes Wetter wartet, um ihn mit dem Blatt für Dezember abschließen zu können. Manche der Bilder entsprechen der höchsten Stufe im Copine.«
Kate erkannte den Hinweis auf die Skala, die dazu diente, den Grad der Brutalität der Abbildungen von Kindesmisshandlungen zu bezeichnen. Sie schloss kurz die Augen. Sie konnte noch nicht zu viele Erinnerungen ertragen.
Joe blickte, auf der Sofalehne sitzend, auf sie herab.
»Du hast großartige Arbeit geleistet, Red«, sagte er ruhig. »Connie und ihr Team arbeiten in Vollzeit draußen an der Umgehungsstraße. Und in der Einrichtung.«
Kates Gedanken kehrten zu dem zurück, was sie über Harry Creed und seinen maßlosen Zorn auf seine Mutter wussten. Wie viele junge Frauen, die mit ihrem Leben dafür bezahlt hatten, würden noch ermordet aufgefunden werden, bis ihre Ermittlungen abgeschlossen waren? Creed war ein Vakuum. Ein emotional leeres Gefäß, das andere entleeren wollte, indem es sie zu einem Nichts reduzierte. Er suchte keine Vergeltung. Er genoss einfach, was er tat.
Sie dachte an Creed in ihrem Haus. Sie hatte alle Schlösser auswechseln und eine Alarmanlage installieren lassen. Die dreitausend Pfund, die das gekostet hatte, waren ein bescheidener Preis für etwas, das Maisies Sicherheit und Kates Seelenfrieden garantierte, auch wenn Creed jetzt inhaftiert war.
»Wirklich schade«, sagte sie leise, dann sah sie zu Joe auf. »Ich kann nicht mehr in der KUF mitarbeiten. Dafür bin ich einfach nicht geeignet. Ich bin zu ungeduldig, um mich an Vorschriften zu halten oder im Team zu arbeiten. Aber das ist noch nicht alles. Ich habe so viele Spuren und Hinweise übersehen …«
Bernie unterbrach sie. »Du hast sie nicht übersehen. Du hast sie aufgeschrieben und …«
»Genau. So viele Informationen, und ich habe sie trotzdem nicht gesehen. Das hat mir die Augen dafür geöffnet, dass ich unsere Fälle wie Klausurarbeiten behandelt habe. Die Lösung des Rätsels hat mich so beansprucht, dass ich allen Schwung verloren habe.« Sie sah weg. »Das hätte dazu führen können, dass Chelsey …«
Joe schüttelte den Kopf. »Jetzt pass mal auf, Kate. Uns allen ergeht es nicht anders. Fällt einem etwas auf, ist es nicht immer möglich, seine Bedeutung gleich zu erkennen. Oder ob es überhaupt wichtig ist. Wann wird ein Hinweis zu einer Spur? Alle diese Sachen müssen mit der Zeit ein Muster bilden, damit wir ihre Bedeutung erkennen können.«
»Ja, aber bis es so weit war, hatte er Chelsey in seiner Gewalt, und Maisie hätte …«
»Hey, geh nicht so hart mit dir ins Gericht, Red. Du hast die Lösung gefunden. Du hast nur Tage gebraucht, um Fälle aufzuklären, die über zehn Jahre alt waren.«
Bernie beugte sich nach vorn. »An Polizeiarbeit gewöhnst du dich, Doc, wenn du dabeibleibst.«
»Nein. Die
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