Kampf um Strom: Mythen, Macht und Monopole (German Edition)
Und sie wird zu Fortschritten beim Umwelt- und Klimaschutz führen. Zunächst nur lokal, zunehmend jedoch auch global. Am Ende wird sich zeigen, dass dieser Prozess in wesentlichen Teilen von unten eingeleitet wurde: 80 Prozent der Energieversorgung aus erneuerbaren Energien im Jahr 2012? Für manch eine Gemeinde in Bayern oder Brandenburg war das kein Problem. Sie haben einfach Mitte der 1990er Jahre mit dem Umbau begonnen und, während die Politik noch streitet, ihr Ziel längst erreicht. Bereits heute geschieht dies auch in anderen Ländern: In den USA beispielsweise verfolgt Kalifornien seit geraumer Zeit eine energiepolitische Strategie, die auf Solarstrom setzt; das letzte Atomkraftwerk soll 2022 abgeschaltet werden. Die Energieversorgung an der amerikanischen Ostküste hingegen sieht heute noch viel konventioneller aus. Wenn sich die Energiewende durchsetzt, dann deshalb, weil sich zahlreiche Gemeinden, Städte, Bundesländer und schließlich auch Staaten zu solchen Alleingängen durchgerungen haben. Die »Energiewende von unten« wird somit deutlich erfolgreicher sein als die »Energiewende von oben«.
11. Es ist an der Zeit, entschieden zu handeln!
In der chinesischen Metropole Schanghai fahren Busse, die an jeder Haltestelle kurz an eine Steckdose andocken. Dreißig Sekunden dauert es, die Kondensatoren des Elektromobils aufzuladen. Während die Passagiere ein- und aussteigen, tankt der Bus genug Strom, um seine Fahrt bis zur nächsten Haltestelle fortzusetzen.
Ausgerechnet China prescht mit umweltfreundlichen Technologien voran. Wohl wenige Länder haben in der Vergangenheit häufiger bewiesen, dass sie nicht im Traum daran denken, ihre Wirtschaftsinteressen wegen ideeller Werte zurückzustellen. Dass ausgerechnet die Chinesen auf grüne Technologien setzen, der Staat Industrien wie die Elektromobilität oder die Solarbranche massiv fördert, kann als Indiz dafür gelten, dass es bei der Energiewende längst nicht mehr allein um Umweltschutz und Klimawandel geht: Die Ökorevolution ist längst ein knallhartes Geschäft geworden. Als die deutsche Politik begann, die Automobilbranche zur Entwicklung von Elektrofahrzeugen zu drängen, wehrte sich die Industrie vehement gegen solche ökoideologischen Vorgaben. Inzwischen zeichnet sich ab, dass die Autohersteller den Anschluss an einen weltweiten Markt verlieren könnten, wenn sie nicht rechtzeitig in grüne Technologien einsteigen. Ähnliches gilt für das Desertec-Projekt, das nordafrikanischen Wüstenstrom für Europa produzieren soll. Nach anfänglichen Schwierigkeiten ist es heute wirtschaftlich so interessant, dass chinesische und US -amerikanische Investoren einen Einstieg erwägen.
Die Liste solcher Beispiele ist lang. Energie und Strom sind ein gutes, hart umkämpftes Geschäft, weil sie für die moderne Gesellschaft so existenziell geworden sind wie der Sauerstoff zum Atmen. Allzu lange hat uns die Stromversorgung nahezu unsichtbar durch den Alltag begleitet, was angesichts der Bedeutung der Elektrizität fast schon erstaunlich ist. Als im Oktober 2012 Hurrikan Sandy auf die Stadt New York zuraste, empfahl Bürgermeister Bloomberg den Bewohnern der Stadt, zu Hause zu bleiben und ein Buch zu lesen. Wer weiß, ob das in ein paar Jahrzehnten noch möglich ist? Sollte sich das E-Book durchsetzen, könnten die Menschen bei zukünftigen Stromausfällen gezwungen sein, zur Tradition des Geschichtenerzählens zurückzukehren.
Schanghai hat in einem ersten Versuch für 17 Busse von insgesamt drei Linien an allen Haltestellen Ladestationen eingerichtet. Auch in deutschen Städten findet man zunehmend solche alternativen Zapfsäulen. Schlank ragen sie aus dem Boden und halten Steckdosen bereit, an denen sich die ersten Elektromobile mit Energie versorgen können. Autos, die mit einem einfachen Stromkabel an solchen Tankstellen hängen – sie verändern allmählich unser Stadtbild und stehen so für einen weiteren Aspekt der Revolution, die wir mit der Energiewende erleben: Die Umstellung auf eine grüne Energieversorgung hat einen Bewusstseinswandel eingeleitet. Immer mehr Menschen beginnen, über ihren Energie- und Stromverbrauch nachzudenken – und ihn aktiv zu steuern.
Auf dem Land hat dieser Wandel bereits eingesetzt: Welcher Strom kommt aus den Leitungen? Was kostet er? Welche Mengen werden verbraucht? – Lange Zeit dachte niemand über all das nach. Energie und Strom waren ausschließlich Sache von Fachleuten. Doch das ändert sich. Die Zahl derer
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