Kampf um Strom: Mythen, Macht und Monopole (German Edition)
nicht etwa die heimische Wirtschaft, sondern Unternehmen in China, da diese Solarzellen viel günstiger produzieren und auf dem Markt anbieten könnten. Zweitens zwinge der übereilte Atomausstieg Deutschland dazu, Atomstrom aus Tschechien und Frankreich oder aber Kohlestrom aus Polen zu importieren. Und drittens sei jede Form von energiepolitischem Alleingang sinnlos, da die Klimaziele nur erreicht würden, wenn sich alle Länder auf eine nachhaltige Politik einigen. Insbesondere die letzten beiden Vorwürfe richten sich gegen das Projekt Energiewende als Ganzes. Zusammengefasst lauten sie: Deutschland macht seiner Wirtschaft mit klimapolitischen Auflagen das Leben schwer, während allerorts munter weiter Atomkraftwerke gebaut oder Treibhausgase in die Luft geblasen werden. Schauen wir uns also an, was sich in der Welt so tut, seit Deutschland sich dem »Ökowahn« verschrieben hat.
Deutschlands Solarbranche in Gefahr
Es stimmt, Deutschland manövriert sich ins Abseits – jedoch nicht durch einen Alleingang in der Energiewende, sondern weil es sich zögerlich und ängstlich aus der Photovoltaik zurückzieht, während andere Länder verstanden haben, dass es sich hier um eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts handelt. Aber das ist noch zu harmlos formuliert: Man muss es schon geradezu dramatisch nennen, was in Deutschland derzeit in Bezug auf die Solartechnologie passiert. Anfang des Jahres 2012 kündigte die Bundesregierung an, die Einspeisevergütung für Solarstrom wesentlich stärker zu kürzen als ursprünglich geplant und zudem große Freiflächenanlagen gar nicht mehr zu fördern. Dies führte dazu, dass viele Solarprojekte storniert wurden und Banken ihre Kreditlinien für die Solarhersteller nicht verlängerten – so beklagt Prof. Dr. Eicke Weber, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg, im Mai 2012 in einem Interview mit der Wirtschaftswoche die Folgen dieser Politik. Die Bundesregierung, erklärt Weber, hat sich auf diese Weise offen gegen die Photovoltaik gestellt. Sie reagierte damit auf die Tatsache, dass die Solarbranche nach anfänglichen Erfolgen weltweit einen massiven Einbruch erlebte. Es folgten drastische Einschnitte bei der Förderung, und so ging zuletzt ein Solarunternehmen nach dem anderen pleite. Die Konkurrenz von Billigprodukten aus China sei zu groß, hieß es, und daraus wurde die Behauptung, mit dem EEG würden chinesische Unternehmen gefördert, weil man die Solarzellen für die Photovoltaikanlagen von nun an importieren müsse. Der Rückzug der Politik aus der Solarförderung ist jedoch voreilig und wirtschaftspolitisch völlig unsinnig.
Es gibt zahlreiche Gründe für den zwischenzeitlichen Existenzdruck, in den die Solarunternehmen geraten sind. Sie reichen von Managementfehlern bis zu der Tatsache, dass es zu Beginn des Solarbooms schlicht zu einer Überproduktion gekommen war. Zeitweise wurden weit mehr Solarzellen produziert, als der Markt aufnehmen konnte. Gerade der überraschende Erfolg dieser Technologie, die in kürzester Zeit viel billiger zu produzieren war als erwartet, wurde den Unternehmen durch den damit verbundenen Preisverfall zum Verhängnis. Dass auf Überkapazitäten wirtschaftliche Einbrüche folgen, ist wenig spektakulär. Derzeit erleben wir dasselbe – zum wiederholten Male – in der Automobilbranche. Auch hier passiert es immer wieder, dass die Nachfrage nicht im selben Maße steigt wie das Angebot. Dann können die deutschen Autobauer mit ihren weltweit führenden Marken nicht genug Fahrzeuge absetzen und geraten so in Schwierigkeiten. Niemand würde indessen daraus schließen, dass es keinen Markt mehr für Autos gäbe! Neue Technologien müssen indessen in der Anfangsphase ihres Marktdaseins mit weit größeren Unwägbarkeiten als nur Schwankungen bei der Nachfrage umgehen. So setzte man im Solarunternehmen Q-Cells in einer bestimmten Phase der Entwicklung auf eine weniger erfolgreiche Technologie. Plötzlich erwies sich ein anderes Verfahren als besser und billiger, während sich die Politik ungefähr zur selben Zeit entschloss, der Branche ihre finanziellen Sicherheiten zu entziehen. Ein noch junges Unternehmen, das noch keine Gelegenheit hatte, über Jahrzehnte Reserven in Form von Eigenkapital aufzubauen, kann da schnell ins Trudeln geraten.
All diese Schwierigkeiten treffen die Solarbranche in China – und übrigens auch in den USA – mit derselben Wucht. Chinesische Unternehmen produzieren
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