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Kandide oder die beste aller Welten

Kandide oder die beste aller Welten

Titel: Kandide oder die beste aller Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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Hand' im Schoße so hier zuzubringen. Eine wichtige Frage! sagte Kandide. Diese Frage brachte neue Betrachtungen auf die Bahn, und Martin zumal nahm Anlaß, hieraus zu folgern, der Mensch sei dazu geboren, sein Leben entweder in beständigem, krampfartigem Regen und Bewegen zuzubringen oder in der untätigsten schlaraff enhaftesten Langeweile.
    Kandide war ganz andrer Meinung, die er aber nicht äußerte. Panglos räumte zwar ein, er habe stets das gräßlichste Elend erduldet; verfocht aber demungeachtet sein einmal angenommnes System: „Diese Welt ist doch die beste", auf's eifrigste, ohn' im geringsten daran zu glauben.
    Jetzt ereignete sich ein Vorfall, der Martinen völlig in seinen verdammlichen Grundsätzen befestigte, Kandiden schwankender machte denn je und Panglosen nicht wenig in die Klemme trieb. Eines Tages kam nämlich Gertrud mit dem Bruder Viola in ihren Hof gewandert. Sie waren beide im äußersten Elende. Die dreitausend Piaster hatten sie Hals über Kopf durch die Gurgel gejagt, sich darauf getrennt, wieder ausgesöhnt, von neuem überworfen, im Gefängnis gesessen, sich daraus geflüchtet, und endlich war Bruder Viola Türke geworden. Wo sie hingekommen waren, da hatte Gertrud ihr Handwerk fortgesetzt, ohne damit was vor sich bringen zu können.
    Ich sah's wohl voraus, daß Ihre Geschenke bald zerrinnen und daß die Leute unglücklicher werden würden denn zuvor, sagte Martin. Sie und Ihr Kakambo hatten Piaster zum Scheffeln und waren deshalb doch nicht glücklicher wie Bruder Viola und Gertrude. Haha! sagte Panglos zu Gertruden. So führt dich doch der Himmel wieder zu uns, herziges Kind. Weißt du wohl, daß du mich um die halbe Nase, um ein Auge und ein Ohr gebracht hast. .. O wie du aussiehst! ... Doch das ist alles der Welt Lauf. Über diesen Vorfall fingen sie stärker an zu philosophieren denn je. Sie hatten in der Nachbarschaft einen weitberühmten Derwisch, der für den besten Philosophen in der ganzen Türkei gehalten wurde; zu dem gingen sie und frugen ihn um Rat. Panglos war Sprecher. Wir kommen zu dir, Meister, um von dir zu erfahren, wozu das sonderbare Geschöpf, Mensch genannt, ist geschaffen worden?
    Was kümmert dich das? sagte der Derwisch. Ist das
deine
Sache? Allein wohlerwürdiger Vater, hub Kandide an, es gibt gräßliches Elend auf Erden. Ob Elend oder Glück, gleichviel! antwortete der Derwisch. Wenn Ihro Kaiserliche Majestät ein Schiff nach Ägypten sendet, kümmert Sie sich wohl darum, ob's den Ratten und Mäusen im Schiffsboden behaglich ergeht oder nicht? Was soll man also machen? fragte Panglos. Schweigen! erwiderte der Derwisch. „Ich machte mir Hoffnung, über Wirkungen und Ursachen, über die beste der möglichsten Welten, über den Ursprung des Übels, über die Beschaffenheit der Seele und der vorherbestimmten Harmonie mich mit dir zu unterreden." Bei dieser Rede Panglosens warf der Derwisch ihnen die Türe vor der Nase zu.
    Während dieser Unterredung erscholl das Gerücht, daß zu Konstantinopel zwei Wesire des Diwans und der Mufti erdrosselt und viele ihrer Freunde angepfählt worden seien. Dieser tragische Vorfall gab einige Stunden lang nicht wenig Gemunkel. Wie Kandide, Panglos und Martin wieder nach ihrem Vorwerkchen zurückkehrten, fanden sie einen wackern Greis in einer Pommeranzlaube vor seiner Tür sitzen, um der Kühle zu genießen. Panglos, der ein ebenso neugieriges als disputiersüchtiges Geschöpf war, fragte ihn, wie der eben erdrosselte Mufti hieße. Das weiß ich nicht, antwortete der ehrliche Alte, ich hab' mein Lebtage nicht gewußt, wie irgendein Mufti heißt oder ein Wesir; habe kein Sterbenswort von der ganzen Historie gehört. Ich denke, all' die politischen Kannengießer und Pfannenflicker mit dem Maul und in der Tat reiten gemeiniglich am Ende gar übel an, und's kann ihnen gar nicht schaden. Ich meines Parts erkundige mich niemals, was in Konstantinopel vorgeht, schicke meine selbstgepflanzten Gartenfrüchte 'rein und damit holla! Wie er dies gesagt hatte, führt' er die Fremden in sein Haus; seine beiden Töchter und beiden Söhne setzten ihnen vielerlei selbstverfertigte Sorbets vor. Sie bestanden aus Kaimak, dem man durch eingemachte Zedratschale, Pommeranzen, Zitronen, Limonen, Ananas, Pistazien einen herben Geschmack gegeben hatte; aus mokkaschem Kaffee, unvermischt mit dem elenden batavischen und insulanischen. Hierauf beräucherten die beiden Töchter des guten Muselmans Kandiden, Panglosen und Martinen die Bärte.
    Sie

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