Kantaki 02 - Der Metamorph
die Katastrophe unversehrt überstanden. Lorgard dachte an die vielen Zellkulturen, an die Geschöpfe, die in dem großen Laboratorium gewachsen waren – viele von ihnen nach seinen eigenen genetischen Entwürfen –, und Kummer stieg in ihm auf. Er fühlte sich um ungeborene Kinder betrogen, um Vaterschaften beraubt. Der angerichtete Schaden… Das war eine andere Angelegenheit, der er sich später widmen wollte.
»Fünf Personen starben«, fuhr Emmerson fort und deutete durchs Fenster der Nische – einen transparenten Teil der Labordecke – auf mehrere kleine Hügel unter dem Löschschnee.
»Wie konnte es dazu kommen?«, wiederholte Lorgard.
»Normalerweise hätte ich Sie erst morgen früh verständigt, nach den ersten Untersuchungen«, sagte Emmerson, dessen Ruhe unerschütterlich zu sein schien. Lorgard fragte sich manchmal, ob es irgendetwas gab, das diesen Mann aus der Fassung bringen konnte. Es gab keinen besseren Sicherheitschef. »Aber in diesem Laboratorium wurde am Projekt Doppel-M gearbeitet.«
Meine beste Kreation, dachte Lorgard. Voller Ästhetik, unübertroffen. Er sah Emmerson an und wartete.
»Bei einem Prototyp hatte das Wachstum begonnen«, fügte der Sicherheitschef hinzu, und zum ersten Mal ließ sich so etwas wie Sorge in seiner Stimme vernehmen.
»Was ist aus ihm geworden? Die Sicherheitssysteme…« Lorgard stellte sich vor, wie Giftgas und harte Strahlung sein größtes Werk vernichteten. Etwas in ihm sträubte sich dagegen, das für möglich zu halten.
»Auch das überprüfen wir gerade. Ich…« Emmerson unterbrach sich, als ein junger Mann in der stahlgrauen Uniform des NHD-Sicherheitsdienstes die Nische betrat. In der einen Hand hielt er ein Datenmodul.
»Ja?«, fragte Emmerson.
»Wir konnten einen Teil der Aufzeichnungen sicherstellen«, sagte der junge Mann. »Die anderen Module wurden stark beschädigt. Die Restauration der in ihnen gespeicherten Daten dürfte Tage, wenn nicht gar Wochen dauern.«
Der Sicherheitschef nahm das Modul entgegen, nickte Lorgard zu und verließ die Nische zusammen mit dem NHD-Direktor. Sie durchquerten einen Kontrollraum mit Dutzenden von Bildschirmen, gingen an mehreren subalternen Technikern vorbei und betraten das Büro des Aufsichtsleiters. Der Mann, ebenfalls ein Subalterner, schien auf sie gewartet zu haben, kam sofort hinter dem kleinen Schreibtisch hervor und wirkte überaus nervös. Vielleicht befürchtete er, für das Unglück verantwortlich gemacht zu werden.
»Ich versichere Ihnen, dass wir…«
»Bitte lassen Sie uns allein«, unterbrach ihn Emmerson. »Ich erwarte später einen detaillierten Bericht von Ihnen.«
»Selbstverständlich.« Der Aufsichtsleiter verließ das Büro, und als sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, herrschte für einige Sekunden sonderbare Stille. In Lorgard herrschte noch immer Aufruhr, und hier, in diesem stillen Raum, konnte er fast glauben, dass die Szene im Laboratorium Teil eines schlechten Traums gewesen war.
Dann erklang ein leises Summen, und Bilder erschienen im pseudorealen Schreibtischdisplay – Emmerson hatte das Datenmodul in ein Lesegerät geschoben.
Der Info-Streifen am unteren Bildrand gab Auskunft über die Zeit: 15. April 421 SN, 01:21 Uhr. Fünf in graue Laborkittel gekleidete Personen – zwei Männer und drei Frauen, niemand von ihnen unter fünfzig – gingen in dem großen Laboratorium umher, überprüften die Anzeigen von Instrumenten, bedienten hier und dort Kontrollen. Alles schien in bester Ordnung zu sein.
»Vor zwei Stunden«, sagte Emmerson. »Knapp anderthalb Stunden nach Mitternacht.« Ein Tastendruck beschleunigte den Bildlauf der Aufzeichnung, und aus den ruhigen Schritten der Männer und Frauen wurde ein hektisches Gezappel. Als es in einer Ecke aufblitzte, schaltete der Sicherheitschef wieder auf normale Geschwindigkeit. »Vielleicht ein Kurzschluss«, murmelte er wie im Selbstgespräch, ohne die Bilder aus den Augen zu lassen. »Oder eine unvorhergesehene chemische Reaktion. So was passiert.«
Aus dem Blitzen wurde ein Feuer, das sich verblüffend schnell ausbreitete. Der Warnservo löste natürlich sofort einen Alarm aus, und die fünf Personen im Laboratorium holten Feuerlöschgeräte. Aber bevor sie davon Gebrauch machen konnten, erreichten die Flammen einen bestimmten Behälter, und es kam zu einer heftigen Explosion, die die beiden Männer und eine der drei Frauen auf der Stelle tötete. Die zwei anderen Labortechnikerinnen kamen nur deshalb mit dem
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