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Kapitän Singleton

Kapitän Singleton

Titel: Kapitän Singleton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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anders als „Seignior Capitanio“, aber ich erklärte ihnen, ich wolle mich nicht „Seignior“ nennen lassen. „Nun“, sagte der Geschützmeister, der gut englisch sprach, „dann nennen wir Euch ‚Kapitän Bob’“, und so gaben sie mir von nun an diesen Titel.
    Für die Portugiesen ist nichts bezeichnender als dies, ob man sie nun als Nation oder als Einzelpersonen betrachtet: Wenn jemand sie ermuntert und entflammt, indem er vor ihnen hergeht und sie durch ein Beispiel ermutigt, dann halten sie sich recht gut, wenn sie aber nur ihr eigenes Maß haben, dem sie folgen, dann lassen sie unverzüglich den Mut sinken. Diese Leute wären zweifellos vor einem Rudel nackter Wilder geflohen, selbst dann, wenn sie auch durch die Flucht ihr Leben nicht hätten retten können, hätte ich nicht gerufen und gebrüllt und aus der Sache eher einen Sport als einen Kampf gemacht, damit sie beherzt blieben.
    Auch bei späteren Anlässen war dies nicht weniger notwe ndig, und ich gestehe, daß ich mich oft darüber gewundert habe, wieso eine Schar von Männern, die sich, wenn es aufs Äußerste ging, so wenig auf ihre eigene Courage verlassen konnten, anfangs den Mut hatten, das verzweifeltste und undurchführbarste Unternehmen vorzuschlagen und in Angriff zu nehmen, das je auf der Welt begonnen wurde.
    Es gab freilich drei oder vier unermüdliche Leute unter ihnen, deren Mut und Unternehmungsgeist alle übrigen anspornte, und diese drei oder vier waren von Anfang an die Leiter. Zu ihnen gehörten der Geschützmeister, der Messerschmied, den ich den Künstler nenne, und als dritter, der ganz gut war, wenn auch nicht wie diese beiden, einer der Zimmerleute. Sie waren tatsächlich der Kern der ganzen Mannschaft, und ihrem Mut verdankten alle übrigen die Entschlußkraft, die sie gelegentlich bewiesen. Als diese aber sahen, daß ich ein wenig Verantwortung auf mich nahm, wie oben beschrieben, umarmten sie mich und behandelten mich von da an mit besonderer Zuneigung.
    Dieser Geschützmeister war ein ausgezeichneter Mathemat iker, ein belesener Mensch und vollausgebildeter Seemann, und von ihm erhielt ich danach in vertraulichen Unterredungen die Grundlagen aller Kenntnisse, die ich seitdem in jenen für die Schiffahrt nützlichen Wissenschaften erworben habe, beso nders aber in der Erdkunde.
    Sogar in unseren Gesprächen pflanzte er mir die Keime einer Allgemeinbildung ins Gehirn, da er sah, daß ich begierig war zu begreifen und zu lernen; er gab mir die richtige Vorstellung von der Form der Erde, der Lage der Länder, dem Lauf der Flüsse, der Lehre von den Himmelskörpern, der Bewegung der Sterne und lehrte mich, kurz gesagt, eine Art System der Astronomie, das ich später vervollkommnete.
    Auf eine ganz besondere Weise füllte er mir den Kopf mit ehrgeizigen Gedanken und erweckte in mir den ernsthaften Wunsch, alles zu lernen, was es zu lernen gab, und er überzeugte mich davon, daß mich einzig und allein nur eine höhere Bildung, als sie unter Seeleuten üblich war, für großartige Unternehmungen zu befähigen vermochte. Er erklärte mir, daß Unwissenheit mit Sicherheit eine niedrige Stellung in der Welt bedeutete, Wissen aber die erste Stufe zur Beförderung sei. Er schmeichelte mir stets mit meiner guten Auffassungsgabe, und obwohl dies meinen Stolz nährte, erweckte es andererseits, da ich insgeheim eine gewisse Strebsamkeit empfand, die zu dieser Zeit in mir wuchs, bei mir einen unstillbaren Durst nach allgemeinem Wissen, und ich beschloß, wenn ich jemals nach Europa zurückkehrte und genügend Geld übrig hätte, wollte ich Meister in allen Kenntnissen werden, die notwendig waren, um einen erstklassigen Seemann aus mir zu machen. Später aber, als ich Gelegenheit dazu hatte, war ich mir selbst gegenüber nicht so gerecht, es auch auszuführen.
    Um aber auf unsere Sache zurückzukommen: Nachdem der Geschützmeister gesehen hatte, welche Dienste ich während des Kampfs geleistet, und meinen Vorschlag gehört hatte, eine Anzahl von Gefangenen für unseren Marsch zu behalten, damit sie unser Gepäck trugen, wandte er sich vor den anderen an mich. „Kapitän Bob“, sagte er, „ich denke, Ihr müßt unser Befehlshaber sein, denn Euch verdanken wir den ganzen Erfolg dieses Unternehmens.“ – „Nein, nein“, sagte ich, „macht mir keine Komplimente. Ihr werdet unser Seignior Capitanio sein – Ihr werdet der General sein, ich bin zu jung dafür.“ So kamen wir also alle überein, daß er uns führen solle, aber er

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