Katie Chandler 02 - Alles ausser Hex-ok-neu
mir zugezwinkert, als er hinzufügte: »Möchtest du, dass ich sie für dich klein schneide?«
»Wie bitte? Damit ich dann ganz viele bewegliche Ziele auf dem Teller habe?«
Er lachte in sich hinein. »Guter Einwand. Du bist es nicht gewohnt, so viel Wein zu trinken, stimmt’s?«
»Ist das so offensichtlich? Dabei trinke ich die Gläser nicht mal ganz leer. Na ja, wenn man von diesem hier absieht. Den Wein mag ich.«
»Mach dir keine Gedanken. Es sieht lediglich so aus, als hättest du leichte Koordinationsprobleme. In dieser Runde wirkst du allerdings wie ein Ausbund an Nüchternheit. Und ich glaube, du könntest nie abstoßend sein, egal wie viel du getrunken hast.«
Mmmh, war er nicht süß?
Die Party war inzwischen in vollem Gange. Meine Sorge, irgendwer könnte mitkriegen, dass ich Probleme hatte, meine Birne zu essen, war eigentlich vollkommen unbegründet. Die Börsenmaklerin zog alle Aufmerksamkeit auf sich, denn sie stand auf dem Tisch und legte einen Striptease hin. Die Sachen, die sie unter ihrem Nadelstreifenanzug trug, zeigten, dass ihre Persönlichkeit noch überraschende andere Facetten aufwies.
Henri und seine Kumpane nutzten diesen Moment, um Bestellformulare hervorzuzaubern und damit von Gast zu Gast zu gehen. Mir fiel auf, dass alle Gäste zusammenzuckten und für ein oder zwei Sekunden die Lockerheit des Rauschs verloren, doch dann nahmen sie den Stift und setzten ihre Unterschrift unter das Formular. Nachdem der Papierkram erledigt war, notierte sich der Gastgeber etwas auf seinem Clipboard, und der Gast sank ohnmächtig in sich zusammen. Das erinnerte mich an etwas, das ich vor nicht allzu langer Zeit gesehen hatte, aber in meinem benebelten Zustand konnte ich mich nicht erinnern, was es war.
Glücklicherweise war Ethan praktisch nüchtern.
Also wusste er vielleicht, was hier vor sich ging. Ich tippte ihm auf die Schulter und flüsterte: »Geht hier irgendwas nicht ganz mit rechten Dingen zu, oder bin ich betrunken?«
Bevor er antworten konnte, trat Henri mit seinem Bestellformular zu mir.
»Und? Gefällt es denn auch Ihnen heute Abend bei uns, Mademoiselle?«,
schleimte Henri mich an.
»O ja, sicher«, antwortete ich und versuchte, mein Trunkenheitslevel an das der anderen anzupassen, ohne mir dazu gleich die Kleider vom Leib zu reißen.
Ich spürte instinktiv, dass es das Beste war mitzuspielen, bis ich mir sicher war, was hier lief.
Ich muss mich geschickt angestellt haben (schließlich musste ich ja auch gar nicht nur spielen, ich wäre betrunken), denn Henri schaltete sofort in den Geschäftsmann-Modus. »Wenn Ihnen der Wein heute Abend geschmeckt hat, wollen Sie doch sicher auch einige Flaschen bestellen, damit Sie diesen Genuss zu Hause bei einem guten Essen wiederholen können. Wir bieten Ihnen einen Rabatt an, wenn Sie eine ganze Kiste kaufen; die Zusammenstellung der Weine können Sie dann frei bestimmen.« Er gab mir ein Bestellformular und einen Stift und fügte dann hinzu: »Was hätten Sie denn gern?«
»Nichts, danke«, erwiderte ich fröhlich und reichte ihm Blatt und Stift zurück.
»Sind Sie sicher?«, fragte er schon ein wenig nachdrücklicher und drückte mir beides wieder in die Hand.
»Ja. Ich kann mir eine ganze Kiste Wein nicht nur nicht leisten, ich wüsste auch nicht, wo ich sie in unserer Wohnung aufbewahren sollte, es sei denn, wir legen ein Tuch drüber, schmücken das Ganze mit ein paar Kerzen und Zeitschriften und nutzen es als Couchtisch.« Ich fand, das war das Lustigste, was je ein Mensch gesagt hatte, und brach in hysterisches Gekicher aus. Dann blickte ich zu Ethan hin, um zu sehen, ob er meinen Humor auch würdigte. Er schaute mich missbilligend an.
Doch tat er das nicht annähernd so ernsthaft wie Henri. »Ich bin sicher, Sie möchten doch etwas bestellen«, sagte er im Kommandoton, und meine Nackenhaare stellten sich auf. Aber es war nicht sein Tonfall, der das bewirkte. Irgendwo in meiner Nähe waren magische Kräfte im Einsatz. Auch wenn ich dagegen immun war, spürte ich es, wenn jemand Magie benutzte. Plötzlich fiel mir wieder ein, woran ich mich zu erinnern versucht hatte. Sobald Henri den Gästen Stift und Formular in die Hand drückte, benahmen sie sich genauso wie die Probanden in unserer Firma es getan hatten, als wir Phelan Idris’ erste Zauberformel einem Test unterzogen. Phelan Idris war ein krimineller Zauberer, dessen Vorstellungen davon, wozu magische Kräfte benutzt werden sollten, sich von unserer Firmenpolitik stark
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