Katrin Sandmann 02 - Kinderspiel
nicht allzu schlank und mit einem leichten Bauchansatz. Er geriet schnell ins Schwitzen. Mit einem lautlosen Stöhnen dachte er an den langen Arbeitstag, der vor ihm lag, in seinem schlecht klimatisierten Büro, und sehnte sich nach seinem Garten in Gruiten , weit außerhalb der Großstadt, wo immer ein kühler Wind ging und wo er im Schatten unter einem Baum liegen und lesen konnte.
Er stopfte das Taschentuch zurück in die Tasche. Kabritzky stand neben ihm und musterte nachdenklich die schicke, exklusive Villa, in deren kiesgestreuter Einfahrt ein Leichenwagen parkte. Er beobachtete, wie zwei Männer einen schlichten Zinksarg auf die Ladefläche hievten.
»Wieso hat es fünf Tage gedauert, bis sie gefunden wurde? Wo war denn ihr Mann ?«
»Auf einer Lesereise. Er ist Anwalt und hat vor kurzem ein Buch mit seinen spektakulärsten Fällen veröffentlicht. Natürlich alles mit abgeänderten Namen und reißerisch aufgepeppt. Das verkauft sich wohl wie verrückt. Er ist heute Morgen zurückgekommen .«
»Ach klar. Von dem Buch habe ich gehört. Wollte ich eigentlich auch lesen .« Kabritzky starrte immer noch Richtung Leichenwagen. »Und sonst war niemand hier? Die Heinrichs haben doch sicher Personal ?«
»Die Haushälterin hatte eine Woche Urlaub. Sie war bei ihrer Schwester in Köln. Sie ist vorhin überstürzt zurückgekehrt .«
Der Leichenwagen bog aus der Einfahrt und rollte langsam an ihnen vorbei. Manfred Kabritzky sah ihm nach, wie er den Kaiser-Friedrich-Ring entlang fuhr. Die Karosserie blinkte im Sonnenlicht, und dahinter flimmerte der Rhein wie ein schmales, silbernes Band. Die anhaltende Trockenheit hatte ihn auf die Hälfte seiner eigentlichen Breite dezimiert.
»Wie hat sie sich umgebracht ?«
»Plastiktüte über dem Kopf.«
Manfred Kabritzky zuckte zusammen. »Etwas ungewöhnlich, oder nicht?« Er zögerte, als Halverstett nicht sofort antwortete. »Ich meine, würde eine Frau wie sie nicht eher eine andere Methode wählen, Tabletten nehmen oder so ?«
»Schon möglich«, antwortete der Kommissar bedächtig. Die Sonne knallte auf seinen nur spärlich bewachsenen Schädel, aber der Gedanke an den völlig überhitzten Dienstwagen hielt ihn davon ab, endlich einzusteigen. »So ungewöhnlich aber auch wieder nicht. Es ist ein recht schneller und angenehmer Tod. Kommt häufiger vor, als du vielleicht denkst .«
Kabritzky nickte langsam. Auch ihm standen die Schweißperlen auf der Stirn.
»Eins ist allerdings komisch«, fuhr Halverstett nachdenklich fort. »Die Tüte. Sie gibt uns ein kleines Rätsel auf. Sie stammt von einer holländischen Supermarktkette. Weder Frau Heinrich noch ihr Mann waren jemals in Holland einkaufen, und auch die Haushälterin schwört, dass sie so eine Tüte noch nie gesehen hat .«
Katrin stellte ihr Rad vor dem Antiquariat ab, das schräg gegenüber der Brauerei lag. So früh am Morgen hatte die Altstadt ein völlig anderes Gesicht als abends. Lieferwagen ratterten durch die engen Gassen, Kellner mit müden Augen rückten Tische zurecht und schleppten Bierfässer und Kisten mit frischem Fisch. Sie ließ das Schloss einschnappen und warf einen Blick auf die Uhr. Zwanzig nach neun. Um halb zehn war sie mit Andreas Schäfer verabredet, der sie in der Brauerei herumführen sollte.
Katrin war Fotografin und träumte von einer künstlerischen Karriere. Kürzlich hatte sie einen Bildband über Wales veröffentlicht, auf den sie sehr stolz war. Trotzdem musste sie häufig Aufträge wie diesen annehmen, und Werbeaufnahmen für Prospekte und Broschüren knipsen. In diesem speziellen Fall war es allerdings schon fast wieder eine Ehre, dass man sie als Fotografin ausgewählt hatte. Denn das Brauhaus war eines der berühmtesten in Düsseldorf und weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt.
Katrin ging auf den Seiteneingang zu, der an der Bergerstraße lag. Sie hatte ihre Fotoausrüstung nicht dabei. Heute wollte sie sich erst einmal umsehen und sich einen Eindruck verschaffen, um dann in der nächsten Woche die Aufnahmen zu machen. Sie betrat das Brauhaus. Das Büro befand sich im ersten Stock. Katrin klopfte an und trat ein. Drei ausladende Schreibtische füllten den kleinen Raum fast vollständig aus. Die beiden hinteren waren unbesetzt. Am vorderen saß eine Frau um die dreißig und telefonierte. Sie winkte Katrin herein und bedeutete ihr, an einem kleinen Tischchen in der Ecke Platz zu nehmen. Während die Frau ihr Gespräch führte, blickte Katrin sich neugierig um. Es
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