Katzenhöhle
in der Schwester gesucht hatte – denn es lag in ihr selbst. Jetzt wusste Lena, was Mira ihr in dieser anderen Nacht hatte sagen wollen, als sie bei ihnen gewesen war, bei ihr und Cedric: Dass sie sich durch diesen Mann die Hände reichen konnten. Er hatte viel für sie getan, ohne es zu wissen. Doch er konnte nicht alles für sie tun. Die eigenen Ängste überwinden, das konnte nur sie selbst.
Cedric stand langsam auf. »Wenn ich dir meine Adresse in London gebe, wirst du mich dann einmal besuchen?«
Sie nickte. Auch sie brauchte ein Glühwürmchen, das ihr hin und wieder leuchtete.
Der Blumenstrauß war so groß, dass er kaum durch die Tür passte. Lilien, Rosen und Iris fochten um die frischesten Farben, aber welche Blumen den Wettstreit gewinnen würden, zählte nicht. Ihr Duft war so berauschend, dass Lilian jetzt schon wusste, sie würde den Strauß in der Nacht auf den Gang hinausstellen müssen. So konnte niemand schlafen, auch wenn ihre geschwollene Nase noch so geruchsunempfindlich gewesen wäre.
»Danke, der ist wirklich wunderschön.«
Sie strahlte David an. Am besten sie sagte ihm nicht, dass er zuviel Geld ausgegeben hatte. Der Strauß würde leider im Krankenhaus bleiben müssen, denn sie hatte keine Lust, in absehbarer Zeit wieder hier zu landen. Bekanntlich brachte es Unglück, am Krankenbett überreichte Blumen nach Hause zu bringen. Aberglaube hin oder her – das würde sie nicht riskieren. Also stellte sie den Strauß kommentarlos auf den Tisch. Jetzt waren weder Viktors Tulpen noch Helmuts Nelken oder Hannas Primeln und erst recht nicht mehr die Gänseblümchen von Miriam und Tobias zu sehen. Später musste sie ein passenderes Arrangement finden.
David musterte sie skeptisch. »Du sagst ja gar nichts.«
»Was soll ich sagen?«
»Dass der Strauß viel zu riesig ist, und ich mir den hätte sparen können, weil du ihn eh hier lässt.«
»Ist er das?«
»Auf jeden Fall. Aber in Anbetracht der Umstände hielt ich ihn für angemessen.«
»Dabei haben mir Helmut und Viktor hoch und heilig geschworen, dass ich gar nicht so schlimm aussehe.«
»Damit haben sie auch Recht. Aber ich hab immer noch ein schlechtes Gewissen.«
»Weil du mich innerhalb von zehn Minuten in Julians Wohnung abgeholt und mir so das Leben gerettet hast?«
Er knuffte sie in die Seite, sehr zart. »Weil ich dich das ganze letzte Wochenende nicht angerufen habe.«
»Ach, das. Ich weiß immer noch nicht, warum.«
»Weil ich für Alexandra eingesprungen bin, sie musste übers Wochenende weg. Wie immer ist ihr das von einer Minute auf die andere eingefallen, da konnte sie natürlich niemanden sonst für die Kinder auftreiben. Ich war das ganze Wochenende in Beratzhausen.«
»Hat deine Ex-Frau kein Telefon?«
»Doch, aber das war kaputt. Und der Akku von meinem Handy war auch hin.«
Lilian sagte nichts. Inzwischen kannte sie sich aus mit kaputten Telefonen.
»Warum hast du die Kinder nicht zu dir nach Riegling gebracht?«
»Weil Lisa krank war und ich sie nicht ständig durch die Gegend kutschieren wollte.«
»Und du bist dir sicher, dass es genauso gewesen ist? Hat dich nicht deine liebe Petra in ihr persönliches ›Helft-allen-Schwangeren-dieser-Welt‹-Spezialeinsatzteam abkommandiert?«
»Sag mal, spinnst du? Außerdem ist sie nicht meine Petra.«
Das sah Lilian anders. Aber sie wollte nicht pingelig sein, vor allem, weil sie das nicht mehr interessierte. Auf jeden Fall nicht mehr besonders.
Sie stand auf und holte ihre Jogginghose aus dem Schrank.
»Was machst du da?«, fragte David.
»Meine Füße sind eiskalt, ich muss unbedingt zum Laufen. Unten gibt’s einen schönen Innenhof, da könnt’ ich ein paar Runden drehen.«
»Du spinnst wirklich. Hör mal, du sollst dich schonen. Du hast eine Gehirnerschütterung und eine gebrochene Rippe …«
»Sie ist nicht gebrochen, nur angeknackst.«
»Wie schön, dass das Krankenhauspersonal sich jetzt mit dir herumschlagen darf, und mich das alles gar nichts angeht.« Er zog sie zu sich her. »Ich hätte noch eine andere Idee, wie deine Füße wieder etwas wärmer werden könnten.«
»Ob das so gut ist – bei gebrochenen Rippen?«
»Nur angeknackst«, murmelte er zwischen zwei Küssen.
Lilian wusste, dass die Krankenschwester ihr in fünf Minuten das frühe Abendessen bringen würde. Also gab sie ihm nur einen dritten Kuss und zog ihn dann mit sich zum Fenster. Sie machte es weit auf. Wie gut das tat, die frische Luft tief in die Lungen einzusaugen. Heute
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