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Nicht ohne dich

Nicht ohne dich

Titel: Nicht ohne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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Prolog
    Mädchenkonzentrationslager Uckermark, Frühjahr 1944
    W ir waren dabei, einen Kuhstall auszumisten, zehn an der Zahl, in dünnen, gestreiften Kattunröcken und -jacken. Wir waren Mädchen ohne Namen, wir froren und litten Hunger und waren zu jeder Tageszeit todmüde.
    Sie hatten uns alte, verbeulte Schaufeln gegeben, von denen der dünnflüssige Dung immer wieder hinunterglitt, ehe wir ihn in die Schubkarre befördern konnten. Sobald eine voll beladen war, suchte die Kerner eines der Mädchen aus, das die schwankende Fracht wegbringen musste, hinaus zu dem dampfenden Misthaufen im Hof. Wenigstens stieg aus der Kuhscheiße ein bisschen Wärme auf.
    Eine Kuh kackte und ein Teil davon ergoss sich in meinen Holzschuh. Es fühlte sich warm an und weich, aber ich wusste, dass es schnell erkalten würde. Da kippte mir der wacklige Haufen Mist von der Schaufel. O Gott, dachte ich. Nein. Und die Kerner zog mir den Knüppel so fest sie konnte über den Rücken.
    »Blöde Schlampe!«, schrie sie.
    Innerlich weinte ich wie ein geschlagenes Kind, aber ich biss die Zähne zusammen und blieb ruhig. Ich wusste, beim kleinsten Mucks riskierte ich einen weiteren Hieb. Zitternd und mit schmerzendem Rücken bückte ich mich und lud meine Schaufel erneut voll. Da öffnete sich knarrend die Tür und ein eisiger Luftzug drang in den Stall. Die Bäuerin kam, um nach dem Rechten zu sehen. Die Kacke an meinem Fuß erkaltete am Rand und meine nassen Kleider fühlten sich an wie Eis.
    Ich war nicht so dumm, die Bäuerin anzusehen. Stattdessen hievte ich meine Schaufel hoch und kippte den Mist in die Schubkarre. Am liebsten hätte ich ihn der Kerner ins Gesicht geschleudert.
    »Die arbeiten gut«, sagte die Frau zur Kerner. »Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn Sie mir nicht ausgeholfen hätten. Mein Sohn ist einberufen worden und meine Franzosen haben die Grippe, alle beide. Ich bekomme erst in ein paar Tagen neue geschickt …«
    Sie brach ab. Als ich es wagte aufzublicken, bemerkte ich, dass sie mich anstarrte. Mein Kopftuch war verrutscht und entblößte mein Haar. Es war kürzer geschoren als bei den meisten Jungs. Ein leiser Schauder überlief sie.
    »Gott sei Dank haben Sie momentan keine Franzosen hier«, sagte die Kerner. »Dieser Abschaum hier ist ja wie der Teufel hinter den Männern her. Deswegen sind die meisten auch ins Lager gekommen. Haben sich mit dreckigen Fremdarbeitern eingelassen, sich prostituiert. Die hier zum Beispiel, 610« – sie deutete auf mich.
    Ich stieß die Schaufel in den Mist; sie kratzte auf dem Zementboden, dass mir von dem Geräusch die Zähne schmerzten. Immer noch drang der schneidende Wind durch die geöffnete Stalltür herein, und ich verfluchte die Bauersfrau dafür, dass sie sie offen gelassen hatte. Ihr machte die Kälte ja nichts aus, mit ihrem dicken Mantel und den Handschuhen. Auch die Kerner trug Handschuhe.
    »Sie hat mit weiß Gott wie vielen Männern herumgehurt, aber das war ja auch nicht anders zu erwarten, wenn man bedenkt, aus was für einer Familie sie stammt. Ein richtiges Kriminellennest ist das, die sind nicht mal in die Partei eingetreten, haben nie einen Finger gerührt für die Kriegsanstrengungen.«
    Ich hätte ihr am liebsten die Schaufel über den Kopf gezogen, wegen meinem Bruder Karl. Und wegen Papa, der in einem amerikanischen Kriegsgefangenenlager saß. Aber im Grunde stimmte es ja. Keiner von uns hatte je einen Beitrag für Hitlers Krieg leisten wollen.
    »Entartet sind die«, fuhr die Kerner fort. »Außerdem waren sie«, sie senkte die Stimme, »dick befreundet mit Juden.«
    »Die ist aber ziemlich mager«, meinte die Frau zweifelnd zur Kerner.
    »Das Essen ist für alle knapp«, entgegnete die Kerner mit schneidender Stimme. »Sie schafft das schon, machen Sie sich keine Sorgen. Und für die Arbeit im Freien bekommen sie eine Extraration.«
    Ich fragte mich, was sich die Bäuerin wohl darunter vorstellte. Ein großes Glas Milch vielleicht, frisches Bauernbrot, Fruchtmarmelade? O ja, unser Frühstück war besser gewesen als sonst, aber das hieß nicht viel. Es hatte nicht gereicht, um unsere knurrenden Mägen zu füllen. Plötzlich verspürte ich unglaublichen Heißhunger auf fette Würstchen und einen Berg Bratkartoffeln. Heiß und sättigend. Richtige, würzige Würstchen, dazu knusprig braun gebratene Kartoffeln. Als die Kerner sich der Bäuerin zuwandte, nutzte Erna die Gelegenheit und verzog das Gesicht zu einer mitfühlenden Grimasse. Hinter ihr

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