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Kayankaya 4 - Kismet

Kayankaya 4 - Kismet

Titel: Kayankaya 4 - Kismet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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Gestank kondensiert, und ich finde nicht, daß Kerl sein bedeutet, anderer Leute Blähungen zu saufen.«
    Slibulsky kicherte.
    Leise fluchend beugte ich mich zum Schlüsselloch. Dahinter konnte ich Romanos bandagierten Arm sehen. Er saß an der Theke und tat mit Taschenrechner und Papierblock, als beschäftige er sich mit der abendlichen Abrechnung. Tatsächlich war er zu aufgeregt, um auch nur zwei Bier zusammenzuzählen. Vor einer Woche waren sie zum ersten Mal bei ihm aufgetaucht: auffallend schick gekleidete junge Kerle, kaum älter als fünfundzwanzig, mit Pistolen und einem Zettel, auf dem stand: Bitte um monatliche Spende von 6000 dm für die Armee der Vernunft, zu zahlen an jedem Monatsersten. Vielen Dank im voraus. Dabei sagten sie kein Wort, lächelten nur - jedenfalls so lange, bis Romario den Zettel gelesen hatte, ihn zurückgab und im Glauben, nicht zuletzt wegen der Höhe der Summe, ein paar Anfänger vor sich zu haben, erklärte: »Tut mir leid, aber ich denke, das ist keine Bitte, die ich erfüllen möchte.«
    Daraufhin ließen sie das Lächeln bleiben, stießen ihm die Pistolenläufe in den Bauch, knüllten den Zettel zusammen, stopften ihn Romario in den Mund und zwangen ihn, den Zettel zu kauen und zu schlucken. Anschließend schrieben sie mit schwarzem Filzstift Bis übermorgen auf die Theke und verschwanden.
    Trotz dieser Demonstration nahm Romario die Sache nicht wirklich ernst. Er hatte sein Lokal in der Nähe des Bahnhofsviertels zu lange, um beim ersten Versuch irgendwelcher Halbstarken, Geld aus ihm rauszuholen, gleich in Panik zu geraten. Bekanntermaßen gab es im Fahrwasser der großen ernstzunehmenden Schutzgelderpresserorganisationen einen Haufen kleine Trickser, die sich dachten, probieren wir’s doch einfach mal, so wie man sich mit sechzehn sagt, hey, gucken wir doch mal, ob das Fahrrad da vorne abgeschlossen ist.
    Romario kotzte das Papier aus, schlug zwei Nägel in die Seitenwand der Theke und hängte seine Pistole dran. Das nächste Mal sollten sie sehen, wie ein gestandener Mann mit unverschämten Bitten umging. Doch sie kamen nicht abends, wie erwartet, und Romario stand nicht hinter der Theke. Er war morgens in der Küche dabei, Fleisch in Öl und Gewürze einzulegen, als sie plötzlich neben ihm auftauchten. Wieder lächelnd, wieder mit einem Zettel. Ihre monatliche Spende an die Armee der Vernunft ist fällig. Vielen Dank für Ihr Engagement um der guten Sache willen.
    Als Romario, die Pistolenläufe auf sich gerichtet, die Hände in Öltunke, sagte, er habe keine sechstausend Mark, und was sie glaubten, wieviel so ein kleines Lokal im Monat abwerfe, und daß er den Laden dann gleich dichtmachen könne, drehten sie ihm die Arme auf den Rücken, fesselten ihn an die Heizung und zwickten ihm mit einer Zange den Daumen ab. Die Putzfrau fand Romario ohnmächtig in einer Blutpfütze. Der Daumen lag auf der Theke, daneben stand: Bis Sonntag.
    Heute war Sonntag, und Romarios Armverband hob sich knallweiß gegen die holzgetäfelte Wand ab. Im Krankenhaus hatten sie ihm den Daumen wieder angenäht. Ob er halten und wozu er in dem Fall noch taugen würde, hatte der Arzt nicht sagen können. Romarios Erklärung, es sei ihm beim Zwiebelhacken passiert, war zwar mit Skepsis aufgenommen worden, hatte das Krankenhaus aber davon abgehalten, Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Hin und wieder sah Romario zum Geschirrschrank, als wollte er sich versichern, daß wir nicht durch irgendeine Ritze entschwunden waren. Zur Beruhigung klopfte ich jedesmal kurz mit meiner Beretta gegen die Tür. Das mit dem Daumen war brutal und tat mir leid, keine Frage. Ob es mir besonders leid tat, weil ohne diese Verletzung eine Pauschale plus Spesen wenigstens nicht unvorstellbar gewesen wäre, wollte ich gar nicht wissen.
    Und wieder zischte es.
    »Slibulsky, du bist ‘n Arschloch!«
    »Und du bist ‘ne Tunte.«
    Ich seufzte. »Wenn ich ‘ne Tunte wäre, hätte ich, um so eng mit dir in deinem Duft zu schwimmen, den Schrank wahrscheinlich gemietet.«
    »Ach ja? Was du alles weißt… Fängt man an, über so was nachzudenken, wenn man so lange keine Freundin mehr hatte?«
    »Ach, Slibulsky…«
    »Sag nicht jedesmal >Ach, Slibulsky< wenn ich davon rede. Ich finde…«
    »Still!«
    Draußen war ein Wagen vorgefahren. Der Motor ging aus, und Türen klappten. Kurz darauf kamen Schritte die Treppe hoch, hielten kurz inne, dann klopfte es. Romario erhob sich vom Barhocker und ging die Eingangstür aufschließen.

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