Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kayankaya 4 - Kismet

Kayankaya 4 - Kismet

Titel: Kayankaya 4 - Kismet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
Vom Netzwerk:
ein leeres Glas. Ich sah hinter die Theke, dort stand eine leere Flasche. Er hatte vor Aufregung am Abend nichts gegessen, und normalerweise hielt er sich an Fruchtsäfte.
    »He, Romario, alles ‘n bißchen viel, hm?« Ich ging zu ihm und legte meine Hand auf seine Schulter. Er sah zu mir hoch, bedachte mich mit einem langen Blick, der, wie ich vermutete, Schmerz ausdrücken sollte, allerdings nur glasig und verschwommen war. Dann hob er stumm den bandagierten Arm, schaute ihn an und nickte ihm zu, als wollte er sagen: Was wir beide alles mitmachen! Erneut, diesmal vorwurfsvoll, sah er zu mir hoch, bis sein Gesicht plötzlich ein Zucken befiel und ihm Tränen über die Wangen liefen. Dabei entfuhr ihm eine Art Wiehern. Ich knetete seine Schulter, sagte so was wie »Wird schon alles« und sah mich hilfesuchend nach Slibulsky um. Doch der zuckte nur mit den Achseln und machte sich daran, die zweite Leiche in den Topf zu bugsieren. Endlich wurde aus dem Wiehern ein Schluchzen, aus dem Schluchzen ein Schlucken, die Tränen ließen nach, ich gab Romario ein Taschentuch, und er putzte sich die Nase.
    »Ich … Weißt du, das Restaurant ist für mich wie eine Geliebte … Und wie man einer Geliebten Schmuck und Kleider schenkt, hab ich für den Laden Holz, Kacheln oder Tischdecken gekauft, um ihn hübsch zu machen, verstehst du?«
    »Natürlich«, antwortete ich und überlegte, womit er wohl, nach den Preßspanlatten, falschen Marmorkacheln und karierten Polyestertischdecken zu schließen, seine Frauen behängte.
    »Ich versprech dir, du kannst bald in den Laden zurück.« Während ich das sagte, setzte das Drücken und Schieben hinter mir kurz aus, und ich spürte Slibulskys Blick im Rücken. Sicher, realistischer war es, damit zu rechnen, daß das >Saudade< irgendwann in den nächsten Wochen in die Luft flog und daß Romario weit weg wieder mit Fleischspießchen und Dosenbier anfangen mußte.
    »‘tschuldigung wegen vorhin«, sagte Romario. »Du hast schon recht, woher hättest du wissen können, daß die sofort schießen. Aber ich stand völlig unter Schock …« Er sah mich aus immer noch feuchten Augen an, und ich nickte verständnisvoll. Auf meiner Uhr war es kurz nach eins. »Also, wenn du das wirklich wieder hinkriegen solltest, Kemal, ich wäre dir ewig dankbar!« Er versuchte ein Lächeln. »Und du hättest freies Menü auf Lebenszeit!«
    Worauf es an mir war, ein Lächeln zu versuchen. »Das ist toll, Romario. Da freu ich mich sehr. Aber…«, diesmal war mein Blick zur Uhr möglichst deutlich, »wir sollten uns beeilen. Bis morgen muß der Laden sauber sein, als wäre nichts passiert.« Ich deutete auf Einschußlöcher in der Holzvertäfelung. »Da muß irgendwas rein und Farbe drüber. Am besten, du machst dir Kaffee, und dann guckst du mal, wie weit du mit einem Arm kommst.«
    Er sollte gar nicht erst ins Überlegen kommen, was es sonst noch für Möglichkeiten für ihn gab, sich aus der Affäre zu ziehen. Er sollte arbeiten, bis ihm der andere Daumen auch noch abfiel, und morgen früh wollte ich ihn mit einer Flasche Schnaps ins Flugzeug packen. Einmal abgehauen, würde es ihm schwerfallen, der Polizei glaubhaft zu machen, er sei bei allem nur Zuschauer gewesen. Noch dazu, wenn mein Wort als Privatdetektiv, dem ich doch ein paar Gramm mehr Gewicht beimessen mochte als Slibulsky, dagegen stand. Ich war Mitte Dreißig und für die schnelle Einsicht, daß ich in meinem Beruf weder ernst genommen wurde noch beliebt war, ein bißchen zu alt - selbst wenn es sich nur um Polizisten handelte.
    »Okay«, sagte Romario, »ich wird mir Mühe geben.« Dann stand er auf und war schon auf dem Weg zur Küche, als er sich noch mal umdrehte, mit seiner heilen Hand meinen Arm drückte und mich komisch ansah. ».. .Vielen Dank, Kemal. Du bist ein echter Freund!«
    Zum Glück war er anständig oder besoffen genug, keine Antwort zu erwarten. Er machte auf dem Absatz kehrt und tappte mit ein paar abschließenden Schniefern davon. Ich schaute ihm verdutzt hinterher und fragte mich, ob er glaubte, was er sagte, oder ob er glaubte, daß ich glaubte, was er sagte, oder ob er einfach meinte, in extremen Situationen gehöre sich extremer Schmus. Blieb festzuhalten, daß es mit Romarios Stimmungen flott hin und her ging und es keinesfalls ausgemacht war, wie lange er sich Mühe geben wollte. Je schneller er im Flugzeug saß, um so besser.
    »He, echter Freund!« tönte es hinter mir. »Wie wär’s, du hilfst mir jetzt mal, den anderen

Weitere Kostenlose Bücher