Kaylin und das Reich des Schattens
hörte die Worte kaum. Biss sich auf die Lippe. Wollte älter sein, stärker, belastbarer. Es war die Schwäche, dachte sie. Weil sie zu viel von ihrer Macht benutzt hatte.
Lügen.
Sie blickte auf den Kreis auf dem Boden. Vermied ihn.
Seine Flügel waren voll ausgebreitet, und er ließ seine Arme langsam sinken. “Küken”, sagte er, auf Aerianisch.
Und sie sah zu ihm auf, wortlos und überhaupt nicht in der Lage, ihren Gesichtsausdruck unter Kontrolle zu bringen. Ohne ein weiteres Wort durchquerte sie das Turmzimmer und schloss die Lücke, die sie trennte, auf die einzige Art, die sie kannte.
Seine Arme fingen sie zuerst und schlossen sie in sich ein. Er beugte sich über sie. Ihre unterschiedliche Größe wurde darin deutlich, wie seine Schultern sich rundeten. Ihre Hände legten sich auf den Falken auf seiner Brust, und sie senkte ihren Kopf in ihre Finger, schloss die Augen und hieß diese andere Art von Dunkelheit willkommen.
Seine Flügel legten sich um sie wie eine weiche Mauer.
“Ich will nicht, dass er geht”, flüsterte sie.
Wahrscheinlich konnte er die Worte deutlicher spüren, als er sie hören konnte. Aber seine Lippen waren neben ihrem Ohr, als er sich über sie beugte, jetzt beschützend, als wäre sie in Wahrheit noch nicht stark genug, um ohne Begleitung zu fliegen.
“Ich weiß, Kaylin.”
“Aber ich kann nicht –”
“Sch.”
“Ich glaube, ich kann nicht einfach
vergessen
–”
“Das kannst du nicht, Kaylin. Versuch es auch nicht. Du bist nicht Barrani, und du bist kein Drache. Und weil du beides nicht bist, wird die Zeit helfen, und nur die Zeit.” Er hielt inne. “Ich werde dir so viel Zeit geben, wie es in meiner Macht steht. Ich werde das Gesuch des Wolflords ablehnen.”
Sie hasste Tränen.
Hasste sie.
Aber der Falkenlord nicht. Er hielt sie fest, in seinem hohen Turm. Und für den Augenblick tat sie so, als glaubte sie an die Sicherheit, die seine Arme boten.
– ENDE –
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