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Kein Engel so rein

Kein Engel so rein

Titel: Kein Engel so rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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ihm etwas lag, verabschie den und sich dann durch den Hinterausgang verdrücken, bevor irgendjemand mitbekam, dass er weg war. Das war die einzige Möglichkeit, es hinter sich zu bringen.
    Er fing mit dem Aktenschrank an und nahm die Ordner mit den offenen Mordfällen heraus, die ihm noch manchmal schlaflose Nächte bereiteten. Er hatte bei ihnen noch nicht aufgegeben. Er hatte sich vorgenommen, sie aufzuarbeiten, wenn es bei der RHD mal etwas ruhiger zuging. Oder allein bei sich zu Hause.
    Als die erste Schachtel voll war, nahm er sich seinen Schreibtisch vor und begann, die Aktenschubladen auszuräumen. Als er das Glas mit den Patronenhülsen herausnahm, hielt er inne. Er hatte die Patronenhülse, die er bei Julia Brashers Begräbnis mitgenommen hatte, noch nicht in das Glas getan. Stattdessen hatte er sie bei sich zu Hause auf ein Regalbord gelegt. Neben das Bild des Hais, das er dort stehen lassen würde, um sich immer an die Gefahren zu erinnern, die es mit sich brachte, wenn man den schützenden Käfig verließ. Ihr Vater hatte ihm erlaubt, es mitzunehmen.
    Vorsichtig stellte er das Glas so in die Ecke der zweiten Schachtel, dass es von den anderen Sachen gehalten wurde. Dann öffnete er die mittlere Schublade und machte sich daran, die ganzen Stifte und Blöcke und sonstigen Büroutensilien herauszunehmen.
    Über die ganze Schublade waren alte telefonische Nachrichten und Visitenkarten von Leuten verstreut, die er im Zuge seiner Ermittlungen kennen gelernt hatte. Bosch sah sich jede an, bevor er entschied, ob er sie behalten oder in den Abfalleimer werfen sollte. Als er einen Packen von denen beisammen hatte, die er behalten wollte, machte er einen Gummi um sie und warf sie in die Schachtel.
    Die Schublade war schon fast leer, als er einen gefalteten Zettel herausnahm und öffnete. Darauf stand:
     
    Wo steckst du, du harter Bursche?
     
    Bosch betrachtete ihn eine Weile, und es dauerte nicht lange, und er dachte über all das nach, was passiert war, seit er vor knapp dreizehn Tagen in der Wonderland Avenue seinen Wagen geparkt hatte. Er dachte über das nach, was er machte und wohin er ging. Er dachte an Trent und Stokes und ganz besonders an Arthur Delacroix und Julia Brasher. Er dachte an das, was Golliher gesagt hatte, als er die Knochen Jahrtausende alter Mordopfer untersucht hatte. Und das beantwortete ihm die Frage auf dem Zettel.
    »Nirgendwo«, sagte er laut.
    Er faltete den Zettel zusammen und legte ihn in die Schachtel. Er blickte auf seine Hände hinab, auf die Narben an den Knöcheln. Mit den Fingern der einen Hand fuhr er über die Zeichen auf der anderen. Er dachte an die inneren Narben, die er sich bei seinen Schlägen gegen alle möglichen Wände zugezogen hatte und die er nicht sehen konnte.
    Er hatte immer gewusst, dass er ohne seinen Job und seine Dienstmarke und seine Aufgabe verloren wäre. In diesem Moment wurde ihm bewusst, dass er mit all dem genauso verloren sein konnte. Er konnte sogar wegen all dem verloren sein. Genau das, was er am meisten zu brauchen glaubte, war das, was ihn mit dem Leichentuch der Sinnlosigkeit umhüllte.
    Er traf eine Entscheidung.
    Er fasste in seine Gesäßtasche und holte das Etui mit seiner Dienstmarke heraus. Er zog die Ausweiskarte unter dem Plastiksichtfenster hervor und löste dann die Dienstmarke ab. Er fuhr mit dem Daumen über die Einkerbungen des Wortes Detective. Sie fühlten sich an wie die Narben auf seinen Knöcheln.
    Er legte die Dienstmarke und den Ausweis in die Schreibtischschublade. Dann nahm er seine Dienstwaffe aus dem Holster, sah sie lange an und legte sie ebenfalls in die Schublade. Er schob die Schublade zu und schloss sie ab.
    Er stand auf und ging durch den Bereitschaftsraum zu Billets’ Büro. Die Tür war nicht abge schlossen. Er legte den Schlüssel für seine Schreibtischschublade und den Schlüssel für den Slickback auf ihre Schreibunterlage. Wenn er am Morgen nicht auftauchte, würde sie bestimmt neugierig werden und in seinem Schreibtisch nachsehen. Dann würde sie merken, dass er nicht zurückkäme. Nicht in die Hollywood Division und nicht in die RHD. Er gab seine Dienstmarke ab, ging auf Code 7. Er hatte genug.
    Als sich Bosch auf dem Weg zurück durch den Bereitschaftsraum umsah, spürte er, wie ihn eine Welle von Endgültigkeit durchströmte. Aber er geriet nicht ins Wanken. An seinem Schreibtisch stellte er eine Schachtel auf die andere und trug beide durch den vorderen Flur nach draußen. Das Licht ließ er an. Als

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