Kein Fleisch macht gluecklich
Menschen nach den Schimpansen genetisch am nächsten stehenden Gorillas futtern fast ausschließlich Pflanzen – das allerdings müssen sie aufgrund ihrer Körpergröße und der vergleichsweise geringen Nährstoffdichte ihrer Kost dann aber auch nahezu den ganzen Tag. Außerhalb der freien Wildbahn zeigen Gorillas manchmal Fleischgelüste. So berichtet der Verhaltensforscher Jonathan Balcombe in seinem Buch Tierisch vergnügt von der berühmten, bei Menschen aufgewachsenen Gorilladame Koko, die über tausend Worte in der amerikanischen Gebärdensprache beherrscht. Sie kommentiert ihre Vorfreude aufs Essen angeblich mit: »Liebe Mittagessen, mag Geschmack Fleisch.«
Die großen Menschenaffen sind also zu 95 Prozent Vegetarier. Anders der moderne Mensch. Er tanzt offenbar aus der Reihe, was aber auch nicht weiter verwunderlich ist, wenn man bedenkt, dass seit der Aufspaltung unserer Vorfahren in Mensch und Schimpanse immerhin bereits rund 6 Millionen Jahre Evolution vergangen sind.
Hungrige Hirne
Einer der ersten aufrecht gehenden Vorläufer des Menschen, dessen Fossilfunde indirekt auf seine Ernährungsweise schließen lassen, heißt Australopithecus (»Südaffe«). Zu den Australopithecinen gehört etwa die populäre Affendame Lucy. Diese Gattung lebte vor 4,5 bis 2,5 Millionen Jahren in afrikanischen Wäldern. Die Form des Gebisses und die Zahnstruktur sprechen für eine harte Pflanzenkost mit stärkehaltigen Wurzeln und Knollen. Der Anteil an tierischer Kost wie Insekten soll wie bei den heutigen Menschenaffen gering gewesen sein.
Die Gattung Mensch (Homo) taucht im Fossilfund erst vor etwa 2,5 Millionen Jahren in den Savannen Ostafrikas auf, nachdem ein Klimawandel (so etwas gab es damals auch schon) die Waldlandschaften verdrängt und zu einer bedeutenden Zunahme an Grasland und Huftieren geführt hatte. Die Gebisse der Vertreter Homo erectus und Homo habilis waren bereits viel graziler, und ihre Gehirne nahmen vor 1,8 Millionen Jahren überproportional an Größe zu. Die Hirne moderner Menschen haben sogar ein mehr als dreimal so großes Volumen wie diejenigen früher Australopithecinen. Der Ruheenergiebedarf des Menschen, also die Energiemenge, die er fürs Nichtstun braucht, entspricht der jedes anderen Säugetiers vergleichbarer Größe. Da aber das Gehirn etwa das 16-Fache an Energie benötigt wie die Skelettmuskulatur, muss der Mensch einen erheblich größeren Anteil seiner Energiezufuhr nutzen, um sein übergroßes Gehirn »zu füttern«. Gerade im Energieaufwand für sein Gehirn unterscheidet sich der Mensch trotz aller genetischer Ähnlichkeit erheblich von seinen nächsten lebenden Verwandten, den Schimpansen. Für ihre Superhirne müssen die Homos ihren Speiseplan geändert und auf eine energetisch gehaltvollere Nahrung mit höherer Nährstoffdichte wie Fleisch oder energiereiche Früchte zurückgegriffen haben. Jedenfalls besitzen die Grundnahrungsmittel in allen heutigen menschlichen Gesellschaften – bis auf wenige Ausnahmen – eine viel höhere Nährstoffdichte als die Nahrung anderer großer Primaten, also Affen. Wir können es uns leisten, weniger zu essen, um die Energie und die Nährstoffe zu erhalten, die wir brauchen. Der menschliche Darm hat sich in Größe und Beschaffenheit der nährstoffdichteren Nahrung angepasst. Dagegen besitzen die meisten großen Affen einen größeren und längeren Dickdarm als wir – dies zeugt von der Anpassung an ballaststoffreiche Nahrung mit geringer Nährstoffdichte.
Eine weitere Anpassung des Menschen an den großen Energiebedarf seines Gehirns zeigt sich darin, dass der Mensch im Vergleich zu anderen Primaten und Säugetieren weniger muskulös und dafür »fetter« ist. Klingt eher unsexy, erscheint dennoch sinnvoll. Fettgewebe hat einen geringeren Energiebedarf als Muskelmasse, die gesparte Energie kann somit für das Gehirn genutzt werden. Zudem lässt sich die im Fett gespeicherte Energie leicht als Reserve nutzen, wenn das Essen einmal knapp sein sollte. Wie wichtig das Körperfett für die Versorgung des Gehirns ist, sieht man an Menschenbabys, die im Vergleich zu ihrem Körpergewicht nicht nur größere Gehirne, sondern auch viel mehr Körperfett als andere Säugetierkinder haben.
Wachstumsbeschleuniger
Eine Schlüsselrolle bei der Gehirnentwicklung der Gattung Homo nahmen spezielle ungesättigte Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren ein, wie man sie aus der Werbung kennt. Namentlich waren es die Docosahexaensäure (DHA) und die Arachidonsäure
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