Kein Leben ohne Hund
Kamin. Der brutzelnde Truthahn. Die butterigen Plätzchen. Die majestätische Tanne. Der schwingende Adventskranz. Der siedende Glühwein. Das schäumend gezapfte Bier. Ruby war und schnupperte im Paradies.
Unser Hund war die Bewegung in der Stille, die Unruhe in der Ruhe, das Sinnliche in der Besinnung, das Leben vor der Krippe. Als wir dieses Jahr von der Kirche heimkamen, war das Haus erleuchtet, aber tierisch leblos. Als wir in der windigen Dämmerung unsere eigene Tür öffneten, war in dem Türchen nur Leere, nur das Nichts, nur Erinnerung, nur eine Träne.
Aber wir tranken, wir aßen, wir lachten, wir packten aus, wir telefonierten, wir küssten uns – und irgendwann vergaßen wir, dass wir unseren Hund vermissten.
Das Christkind lag in seiner Krippe – und unser Hund im Grab.
Der erste Weihnachtstag ist Pyjamatag für unser Rudel. Jeder darf im Bett bleiben. Jeder darf Fernseh gucken. Jeder isst den wunderbaren, aufgewärmten Truthahn mit Kartoffelknödeln und Preiselbeeren.
Aber keiner lässt knusprige Haut übrig für Ruby, die nicht mehr da ist. Nur Frauchen hat beim Tranchieren geseufzt: »Das hat Ruby so gern gehabt.«
Aus der gefühlten Träne wird ein gelebtes Schmunzeln.
Keiner musst mit dem Hund raus.
Das Draußen bleibt draußen.
Wir sind wieder Höhlenmenschen.
Am zweiten Weihnachtstag fahren wir an die salzige Ostsee, zu dem kleinen romantischen Gestüt am Ende von Deutschland. Hier schläft der Hund unseres Lebens in einem Rondell aus Weiden in gefrorener Erde unter welligem Gras.
Zwei bellende Hunde laufen uns entgegen, eine neue Generation. Jung, nervös, stark, lebendig – trotzig strotzend vor Energie.
Hinter dem riesigen Reetdachhaus liegt ein kleiner Park mit Fichten und Teich und Pizza-Hütte und dem blätterlosen Rondell der toten Hunde.
Zwei Freunde von Ruby ruhen neben ihr: Flachs, ein gütiger Schäferhund, und Chicka, ein eisäugiger Husky. Gute Hunde, sehr gute Hunde.
Es ist windig, aber kein märchenhafter Schnee bedeckt das Grasgrab unseres Hundes.
Vor einem Jahr, es war kalt und es schneite, gruben wir hier die letzte Grotte unseres steifen Lieblings.
Die Erde wollte ihn nicht – sie war eisiger Beton.
Wir mussten Rubys letztes Körbchen mit einem Presslufthammer aufsprengen. Ich konnte das nicht.
Ich trank kühlen Champagner und meine Augen tanzten mit ihren Tränen.
Heute stehe ich über Rubys namenlosem Grab und habe keine Worte mehr.
Ich denke an Byrons Grabgedicht für seinen Hund:
Hier ruht Einer, welcher Schönheit besaß ohne Eitelkeit,
Stärke ohne Anmaßung, Mut ohne Brutalität,
alle Tugenden des Menschen – ohne seine Laster …
Von einem Freund erzählt dies Denkmal mir!
Ich kannte Einen bloß.
Und der liegt hier.
Vor einem Jahr haben wir unseren Hund in seine weiße Lieblingsdecke gewickelt und zärtlich in der Tiefe versenkt – vielleicht 88 Zentimeter.
Die Acht ist ein Symbol für die wiederkehrende Unendlichkeit.
Unsere Kinder haben gebastelte Kreuze nach unten schweben lassen wie Flügel.
Dann hat jede menschliche Pfote zum Spaten gegriffen und felldunkle Erde fiel wie schwarzer Schnee auf die weiße Hülle unseres schwarzen Hundes.
Schwarz wurde schwärzer.
Und als der letzte Erdkrümel den letzten weißen Fleck bedeckte, war unser Hund allein.
Und wir waren allein.
Wir rammten ein Holzkreuz in die weiche Erde.
Wir tranken Champagner und Bier und schütteten etwas davon auf das Grab.
Wir tranken und weinten.
Und der Wind des Meeres trocknete die Tränen der Trauer.
Ruby war save – in Sicherheit in ihrem Safe aus Erde.
Unser Hund kam.
Unser Hund ging.
Gott gibt. Gott nimmt.
Ruby gab uns 17 Jahre Glück.
Jeder Satz in diesem kleinen Buch ist sentimental.
»Le sentiment« – Gefühl, Stimmung, Gemüt, Sehnsucht, Melancholie.
»Einig mit sich selbst und glücklich im Gefühl.« (Schiller)
Jeder Satz ist eine Erinnerung.
Jede Erinnerung ist ein Schatz.
Jeder Satz ist ein Schatz.
Dieses Buch soll ein Schatzplan sein.
Für eine Schatzsuche der Seele.
Was braucht ein Mensch zum Glück?
Nur einen Hund.
Er ist der Spiegel deiner Seele.
Suche dich!
Finde dich selbst.
Blicke in dich.
Erkenne dich.
Werde, was du bist.
Sei, was du wirst.
Lebe, was du spürst.
Liebe.
Habe nie Angst, du selbst zu sein.
Glück ist einfach – liebe dich selbst wie deinen Hund.
Betrachte dich mit den Augen deines Hundes.
Siehst du, was er sieht?
Liebst du, was er liebt?
Du bist nur ein Mensch, aber du bist
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