Keks & Drugs & Rock 'n' Roll
arbeitet, was immer stärker wird und das Dröhnen des Wasserfalls unterdrückt. In meinem Gesicht sitzt immer noch ein Lächeln des Verzaubertseins, aber in meinem Hirn arbeitet schon die Herausforderung der Straße. Los! Die Landstraße wartet auf mich. Die Städte! Die Natur! Los, rein ins Feuergefecht! Die Schönheit des Wasserspektakels erreicht gar nicht mehr meinen Verstand. Ich schaue vor mich hin, ohne zu sehen, und versuche die Entscheidung zu verschieben. Die Entscheidung: Loszugehen; Mutig und munter, wirklich so, wie ich es mir zu Hause vorgestellt habe, während ich in der Umklammerung einer schweißgasgefüllten Werkstatt an kaputten Autos herumgeschweißt hatte. Aber was soll das! Diese Entscheidung habe ich schon damals getroffen und außerdem, meine Neugierde ist sowieso größer als alles andere. Meine Abenteuerlust lässt mich nicht ruhen. Ein merkwürdiges Gefühl: ich muss mich dermaßen selbst beherrschen, um locker zu bleiben. Also, ich nehme einen lockeren Abschied, indem ich minutenlang dastehe und meine Grauen anstrenge, um alles, was mich umgibt, aufzunehmen. Jaa, wunderschön! Es klappt sehr gut! Ich bin voller Wasser. Noch ein Kopfsprung, und ich klettere an dem aus Gischt geflochtenen Vorhang hoch. Das war mein letztes Bad. Inzwischen habe ich all dem meinen Rücken gekehrt. Meine Ohren klingen noch vom Wasserplätschern, in meinem Herz tobt ein rasendes Meer aus Wassertropfen, aber meine Beine streifen schon den Highway Nr. Zweiundsechzig.
Meinen Daumen in die Luft! Aber die Fahrer gucken mich nur blöd an, und ich sie auch, als hätte ich noch nie am Straßenrand gestanden. Oh Mann! Könntet Ihr mal die osteuropäischen Landstraßen fragen! Die würden euch schon was erzählen ... Aber was soll das! Die scheren sich einen Dreck um mich, glotzen nur und wundern sich, was dieser merkwürdige Kerl am Straßenrand für komische Verrenkungen macht. Sie denken alle bestimmt; ich wäre
das Däumelinchen.
Aber ich weiß; Ich bin es! Ich wusste es schon, als ich vor vier Wochen das erste Mal die Staaten erblickt habe, aus dem Flugzeug. Dieser Brücken-Tunnel-Autobahndschungel ... Au Weier! Kein Platz für zweiundvierziger Tramperfüße. Und der Verkehr! Diese Riesenschleuder! Also ... Nein! Das ist wie in einem Panoptikum! Vielleicht komme ich aus einem Panoptikum, und deswegen ist alles so seltsam. Inzwischen habe ich aber schon begriffen, dass dieses Panoptikum in uns selber wohnt, und das Eigenartige daran ist, dass man es jeder Zeit ausweiten und verengen kann: wenn jemand stark genug ist, nach seiner eigenen, wenn nicht, nach Auffassung anderer. Bla ... bla ... bla. Und es beginnt zu regnen. Das hat jetzt gerade noch gefehlt. Schnell unter die nächste Brücke, raus mit dem Maulhobel und zur Aufmunterung spiele ich den Panoptikum Blues, – was mir gerade einfällt – und der Mann mit dem Fahrrad, der sich auch hierher gerettet hatte, kann mit mir nichts anfangen. Er lächelt mich höflich an, wie man es mit Idioten tut. „Bre-bre-bre, whap-whap-whap“, sagt meine Mundharmonika und das wirkt wie eine Pille gegen Verkrampfung. Auf jeden Fall lacht er nicht mehr über mich, sondern über die Melodie. Aber nicht lange. Mich langweilt dieser Zeitvertrieb, es zieht mich wieder in den Regen.
Nach zehn Minuten im Regen stehend bekomme ich schon den ersten Lift. Ein junger Bursche nimmt mich ein paar Meilen bis zur Hundertneunzigsten mit. Na also ... es geht doch. Das einzige Problem ist, dass die meisten Leute hier anscheinend nur kurze Strecken fahren. In dreieinhalb Stunden mache ich mickrige fünfzehn Meilen, aber keine Panik, ich bin schon fast an der Neunziger angelangt. Und wenn ich sie heute noch erreichen konnte ... Sie führt schnurstracks nach New York City. Wenn jemand anhält, steige ich ein, egal wie weit er oder sie fährt. So komme ich Meile für Meile über Buffalo. Nach Überkehrung der Stadt gehe ich in den Supermarkt neben der Ausfahrtstraße und versorge mich mit Brot, Bananen, Milch und Keksen, aus denen ich im Gras liegend ein genüssliches Abendmahl zubereite.
Nach dem Essen ist das Trampen viel leichter, kaum stelle ich mich an den Zubringer, bremst schon ein alter Wagen.
„Ich heiße Bruce“ reicht mir der Mittdreißiger Fahrer die Hand.
Ich stelle mich auch vor und sage: „Ich möchte nach New York City“
„Waas!?“ fragt er verwundert. „Ich dachte, du wärest ein ausländischer Student oder so was, der hier in der Gegend irgendwohin will.“ Er
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