Kid & Co - V3
natürlich für Sie. Es ist geschehen... ich habe Sie mehr liebgewonnen als sonst jemand in der Welt... lieber als meinen Vater, lieber als tausend Männer wie Libash oder Mahkook. Ich liebe... es ist sehr seltsam... ich liebe, wie Francesca geliebt hat, wie Isolde es getan. Der alte Vierauge hat die Wahrheit gesprochen! Auf diese Weise können Indianer nicht lieben. Aber meine Augen sind blau, meine Haut ist weiß... Wir sind beide weiß, Sie und ich...«
Zum erstenmal in seinem Leben war Kid Gegenstand einer Werbung, und er wußte deshalb nicht, wie er sich benehmen sollte. Ja, schlimmer noch... es war keine Werbung im üblichen Sinne, denn die Werbung ging davon aus, daß er mit ihr einig war. So sicher fühlte Labiskwee sich seiner Gegenliebe, so warm und weich war das Licht in ihren Augen, daß er sich nur wunderte, daß sie nicht ihre Arme um seinen Hals schlang und ihren süßen Kopf an seine Brust lehnte. Da wurde ihm klar, daß sie - trotz der keuschen Freimütigkeit ihrer Gefühle - noch nichts von den zarten Mitteln der Liebe wußte. Unter den primitiven Indianern kennt man dergleichen ja nicht. Sie hatte keine Möglichkeit gehabt, sie kennenzulernen.
Sie plauderte weiter, und jedes Wort, das sie sagte, verriet, wie glücklich ihre Liebe sie machte, während Kid mit sich kämpfte, um einen Weg zu finden, sie durch die Wahrheit zu verwunden, in der Hoffnung, sie dadurch abzukühlen. Nur jetzt hatte er Gelegenheit, der unerquicklichen Lage ein für allemal ein Ende zu machen.
»Aber hören Sie doch, bitte, Labiskwee«, begann er. »Sind Sie denn auch sicher, daß Vierauge Ihnen die Geschichte von Paolo und Francesca zu Ende erzählt hat?«
Sie schlug begeistert die Hände zusammen und lachte in einem wahren Rausch unschuldiger Freude. »Oh!« rief sie. »Die Geschichte geht also weiter! Ich wußte ja, daß es mehr und immer mehr Liebe geben mußte! Ich habe so viel darüber nachgedacht, seit ich selbst zu lieben begann... Ich habe...«
Aber in diesem Augenblick trat Snass aus der Dunkelheit und den fallenden Schneeflocken in den hellen Lichtkreis des Feuers, und Kid wußte, daß er die einzige Gelegenheit verpaßt hatte.
»Guten Abend«, knurrte Snass barsch. »Ihr Kamerad hat eine nette Verwirrung hier angerichtet. Es freut mich, daß Sie wenigstens vernünftiger gewesen sind.«
»Erzählen Sie mir bitte zuerst, was geschehen ist«, bat Kid.
Das Blitzen der weißen Zähne in dem grauen Bart machte einen unheimlichen Eindruck auf Kid.
»Natürlich kann ich Ihnen die Sache gern erst erzählen. Ihr Freund hat einen meiner Leute getötet. Diese schleimige Memme, der McCan, floh beim ersten Schuß. Er wird nie wieder den Versuch machen, wegzulaufen. Aber meine Jäger haben Ihren Freund in den Bergen eingeschlossen und werden ihn schon kriegen. Er wird nie den Yukon erreichen! Und was Sie betrifft, so wird es am besten sein, wenn Sie künftig an meinem Feuer schlafen. Es gibt auch kein Herumstrolchen mit den jungen Männern mehr. Ich werde schon aufpassen.«
Kids Lage war sehr schwierig geworden, seit er sich immer am Feuer Snass' aufhalten mußte. Er sah Labiskwee jetzt öfter als je. Eben weil ihre Liebe so süß und keusch war, brachte ihr Freimut ihn in unbeschreiblich heikle Situationen. All ihre Blicke waren Blicke der Liebe; sooft sie ihn ansah, war es wie eine Liebkosung. Immer wieder entschloß er sich, ihr von Joy Gastell zu erzählen, und immer wieder mußte er feststellen, daß er ein moralischer Feigling war. Das Furchtbarste dabei war, daß Labiskwee so unendlich bezaubernd war. Es war eine Freude, sie anzusehen. Obgleich seine Selbstachtung sich krümmte, sobald er mit ihr zusammen war, freute er sich doch über jede Minute, die er mit ihr verbrachte. Zum erstenmal in seinem Leben lernte er eine Frau richtig kennen, und so klar und hell war Labiskwees Seele, so rührend und verführerisch in ihrer Unschuld und Unwissenheit, daß er in ihr wie in einem Buch lesen konnte. Die ganze Güte des Weibes, die seit uralten Zeiten in der Seele der Frau lebt, war auch in ihr unberührt geblieben von der Kenntnis der Anforderungen der Konvention und von dem Betrug der Notwehr, die so oft die Frauen zivilisierter Völker verdirbt und entartet. In seinem Gedächtnis ging er wieder den Gedanken Schopenhauers nach und erkannte hinter allen Sophismen, daß dieser schwermütige Philosoph sich in allen Punkten irrte. Die Frau kennenzulernen, wie er Labiskwee kennenlernte, war gleichbedeutend mit der
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