Kid & Co - V3
hinter ihnen lag. Im hellen Sternenlicht standen sie Angesicht zu Angesicht da. Jetzt erst sah Kid, daß sie eine schwere Last in ihren Armen trug. Und als er nachfühlte, stellte er fest, daß sie seine Schneeschuhe, einen Stutzen, zwei Patronengürtel und seinen Schlafsack mitgenommen hatte.
»Es ist alles da«, sagte sie und lachte glücklich. »Ich habe zwei Tage gebraucht, um das Versteck einzurichten. Wir haben Fleisch, ein bißchen Mehl, Streichhölzer und Indianerschneeschuhe, die für die harte Kruste am besten sind; selbst wenn sie zerbrechen, hält das Netzwerk doch. Oh, ich kann schon Schneeschuh laufen, und wir werden schnell gehen können, mein Geliebter.«
Kid bezwang seine Zunge... Daß sie diese Flucht vorbereitet hatte, war ihm schon eine große Überraschung, daß sie ihn aber selbst begleiten wollte, war mehr, als er gedacht hatte.
Außerstande, sofort einen Entschluß zu fassen, nahm er ihr freundlich ein Bündel nach dem andern ab. Dann legte er seinen Arm um sie und preßte sie eng an sich, wußte aber immer noch nicht, was er tun sollte.
»Gott ist so gut«, flüsterte sie. »Er hat mir einen Mann geschickt, der mich liebt.«
Kid war doch anständig genug, ihr nicht vorzuschlagen, daß er allein gehen sollte. Und bevor er zu reden begann, fühlte er, wie all seine Erinnerungen an die glückliche Welt und die Länder der Sonne dahinschwanden und welkten.
»Wir werden umkehren, Labiskwee«, sagte er. »Du sollst meine Frau sein, und wir werden immer bei dem Volk der Rentiere leben.«
»Nein... nein« - sie schüttelte den Kopf. Und selbst ihr Körper, den er umfaßt hielt, sträubte sich gegen seinen Vorschlag. »Ich weiß zu gut Bescheid. Ich habe zuviel darüber nachgedacht. Dich würde ja doch der Hunger nach der Welt packen, und in den langen Nächten würde er dein Herz ganz verzehren. Vierauge starb vor Sehnsucht nach der Welt. So würdest auch du sterben! Und ich will nicht, daß du stirbst. Wir werden den Schnee der Berge durchwandern, bis wir nach dem Süden gelangt sind.«
»Höre, Geliebte«, bat er. »Laß uns umkehren.«
Sie legte ihren Handschuh leise gegen seine Lippen, um zu verhindern, daß er weitersprach.
»Du liebst mich... sag, daß du mich liebst.«
»Ich liebe dich, Labiskwee. Du bist meine wunderbare, süße Geliebte.«
Wieder hinderte der sanfte Druck des Handschuhs ihn am Weitersprechen. »Laß uns nach dem Versteck gehen«, sagte sie entschlossen. »Es liegt drei Meilen von hier.«
Er hielt sie zurück, und so stark sie auch an seinen Armen zerrte, konnte sie ihn doch nicht von der Stelle bringen. Er fühlte sich fast versucht, ihr von der andern Frau fern im Süden zu erzählen, die er liebte.
»Es würde ein furchtbares Unrecht gegen dich sein, wenn wir umkehren sollten«, sagte sie. »Ich bin... ich bin nur ein kleines wildes Mädchen, und ich habe Angst vor der Welt, aber noch mehr fürchte ich für dich. Du siehst, es ist alles ganz, wie du mir erzählt hast. Ich liebe dich mehr als sonst etwas in dieser Welt. Ich liebe dich viel mehr als mich selbst. Alle Gedanken in meinem Herzen leuchten nur für dich, so hell und so zahlreich wie die Sterne am Himmel... und es gibt keine Sprache, die reich genug für sie wäre. Wie sollte ich sie dir alle sagen können... Sie sind nur da, fühlst du?«
Und während sie sprach, zog sie ihm den Fäustling von der Hand und führte sie unter ihre warme Parka, bis sie auf ihrem Herzen ruhte. Fest preßte sie seine Hand an sich. Und während sie beide schwiegen, spürte er das Klopfen des Herzens, das Klopfen ihres heißen Herzens... und verstand, daß jeder Schlag, den es schlug, nur von Liebe, immer nur von Liebe sprach. Dann begann ihr Körper - erst ganz langsam, fast unmerkbar - sich von dem seinen zurückzuziehen, und während sie noch immer seine Hand an ihre Brust drückte, begann sie, nach dem Versteck zu gehen. Er vermochte ihr nicht mehr zu widerstehen. Ihm war, als zöge ihn ihr Herz... ihr klopfendes Herz, das so nahe an seiner Hand pochte.
Die Eiskruste, die sich nach dem Auftauen gebildet hatte, war so fest, daß sie auf ihren Schneeschuhen sehr schnell vorwärts kamen.
»Hier zwischen den Bäumen ist das Versteck«, erzählte Labiskwee Kid.
Im nächsten Augenblick faßte sie seinen Arm mit einem Ausruf des Erstaunens. Die Flammen eines kleinen Feuers tanzten lustig zwischen den Bäumen hin und her... und am Feuer hockte kein anderer als McCan. Labiskwee murmelte einige indianische Worte, und das
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