Killerspiele: Palinskis fünfter Fall (German Edition)
getäuscht.«
»Na, ich finde, die Sache mit dem Eis ist doch eine immer wieder höchst amüsante Art, die Bullen zu verarschen«, hielt die neben ihm sitzende Rothaarige vom Typ Powerlady dagegen. »Nicht mehr ganz originell, aber immer noch hübsch und wirkungsvoll.« Ihrer Meinung nach war der Beitrag mindestens eine ›2‹ wert.
»Kein Wunder«, murmelte ein dritter Juror, der 29-jährige John Manitory. »Wo doch jeder Affe weiß, dass diese Schlampe Anita Brandner auch heute immer noch die Kissen mit dem Eismann zerwühlt. Eigentlich müsste sie wegen Befangenheit aus der Jury geschmissen werden.«
Auch er hatte nur eine ›4‹ für das seiner Meinung nach lediglich aufgewärmte Konzept übrig. Andererseits musste er zugeben, dass es immer schwieriger wurde, etwas wirklich Originelles auf die Beine zu stellen. Dieser Gedanke stimmte Manitory milde und er korrigierte sein Urteil auf eine ›3‹.
Die Bewertung für das nächste Kriterium, die Ausführung, fiel mit einem Mittelwert von 2,71 deutlich besser aus als der vorangegangene von 3,43 für die Idee.
Die dritte und abschließende Beurteilung galt der Effizienz. Auf ausdrückliche Befragung durch zwei Juroren bestätigte ein Sprecher des Organisationskomitees nochmals, dass der Leichnam des Erhängten vor zwei Tagen gefunden worden war. Seitens der Polizei gebe es keinen Zweifel daran, dass es sich bei der Tat um Selbstmord gehandelt habe, auch wenn bisher noch kein Abschiedsbrief gefunden worden war.
Die ausgezeichnete Note 1,85 für dieses Kriterium sorgte für eine sehr passable Gesamtwertung von 2,66 für Jean Louis Bappier jun. und brachte ihm den guten zweiten Platz in der Zwischenwertung.
»Nächster Starter ist die Nummer 11, Giuseppe de Luisini, Neapel«, kündigte die Stimme aus dem Lautsprecher an. Im Saal wurde es wieder dunkel und auf der Leinwand erschien das Heck eines bronzemetallicfarbenen Bentley-Cabrios, das auf einer kurvigen Bergstraße zu Tale fuhr.
* * *
Seit einigen Tagen verspürte Hauptkommissar Anselm Wiegele von der Kripo Singen ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Zunächst hatte er absolut nicht sagen können, welche Ursachen dieses zunehmend stärker werdende Unbehagen hatte. Gestern war es ihm aber endlich gelungen, dem Unbewussten ein Gesicht zu geben und es aus der Dunkelheit zu holen. Eigentlich war es aber so gewesen, dass sich sein kriminalistischer Instinkt umgesehen und gefunden hatte, wonach er suchte.
Ja, es war tatsächlich ein Gesicht gewesen, das Wiegele auf die Spur gebracht, seinen Instinkt bestätigt hatte. Kein schönes Gesicht, nein, vielmehr eine Verbrechervisage.
Zu der dem Hauptkommissar jetzt aber noch ein Name fehlte.
Er hatte den Kerl im Supermarkt registriert, als er sich gerade mit einem voll bepackten Einkaufswagen an den Regalen vorbei zu den Kassen pirschte. Der Kerl, nicht Wiegele.
Dieses Gesicht hatte er schon einmal gesehen, war sich der Hauptkommissar sicher. Zwar mit längeren Haaren und einem Oberlippenbart, aber die quer über die Wange gehende Narbe war unverkennbar. Kein Schmiss, wie sie mancher Student sein Leben lang mit sich herumtrug, sondern eindeutig das Ergebnis einer gewaltsamen Auseinandersetzung, bei der mindestens ein Messer im Spiel gewesen war.
Und diese Narbe war ausdrücklich als besonderes Kennzeichen auf einem Steckbrief vermerkt gewesen, war sich Wiegele sicher.
Natürlich hätte es durchaus auch sein können, dass es sich bei dem Narbengesicht um einen inzwischen längst rehabilitierten ehemaligen Gesetzesbrecher handelte, der nur den Wochenbedarf an Lebensmitteln für seine Familie besorgte. Aber wo sollte diese Familie zu Hause sein? Sicher nicht in Singen. Natürlich kannte der Hauptkommissar nur einen Bruchteil der rund 45.000 Bewohner dieser Stadt, aber diesen Kerl hätte er sicher schon früher bemerkt.
Und gegen die grundsätzlich plausible Annahme, dass es sich um Touristen in einem der vielen Ferienhäuser im schönen Hegau handeln könnte, sprach die Jahreszeit. Ende Oktober war ganz einfach keine Saison mehr für Urlauber in diesem Teil des Landes.
So hatte sich Wiegele in eine stille Ecke des Supermarktes zurückgezogen und einen seiner Mitarbeiter beauftragt, das ›Narbengesicht‹ nach Verlassen des Konsumtempels unauffällig zu beobachten. Leider hatte das nicht geklappt, denn der Kollege war etwas zu spät gekommen. Oder der zu Observierende eben zu früh gegangen.
Nachdem ihm dieses eine Gesicht aber erst einmal aufgefallen
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