Killerspiele: Palinskis fünfter Fall (German Edition)
Herz und eine Seele, das war vielleicht doch ein wenig übertrieben. Auf jeden Fall war es aber, wie hieß es so schön, der Beginn einer wunderbaren Männerfreundschaft.
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Mittwoch, 23. Oktober
Vorsichtig holten die beiden vermummten Männer eine Eisplatte im Format von 50 x 30 x 4 Zentimetern und zwei entsprechend starke, etwa 60 Zentimeter hohe Stützen aus demselben Material aus den wie große Musterkoffer wirkenden, mit Trockeneis gefüllten Spezialbehältern. Unter den wachsamen Augen eines dritten Mannes, der wie ein Marathonläufer eine Startnummer am Rücken seines maßgeschneiderten Sakkos trug, fügten sie die drei Teile zu einer Art klobigen Tischchens zusammen. Das ungewöhnliche Möbel sollte eine temporäre Stabilität durch zweimal vier dünne Zapfen, ebenfalls aus Eis, erhalten, die die Platte durch speziell eingefräste Löcher mit den Stützen verbanden.
Nachdem das Eistischchen exakt unter der von einem stabilen Haken an der Decke baumelnden, aus einer kräftigen sieben Millimeter starken Rebschnur geknüpften Schlinge stand, zeigte sich der Mann mit der Nummer 8 zufrieden. Auf seinen hoch gehaltenen Daumen hin bauten seine beiden Helfer links und rechts von dem bereits langsam zu tauen beginnenden Werk aus Wasser und tiefen Temperaturen je eine Stehleiter auf. Dann verließen sie den Ort, um kurz danach mit einem offenbar unter Drogen stehenden, völlig orientierungslos wirkenden älteren Mann zurückzukommen. Die beiden schleiften ihr taumelndes Opfer unter den Strang. Dann hoben sie den oberhalb des Beckens steif wie ein Brett wirkenden Körper hoch, legten dem Mann die Schlinge um den Hals und stellten die Füße vorsichtig auf die Platte des Eistischchens.
Da der gesamte Vorgang akkurat geplant worden war, berührten die in Hausschuhen steckenden Füße des fingierten Selbstmörders die Platte gerade so viel, dass sich die Schlinge nicht zuzog.
Das würde sie, wie Versuche gezeigt hatten, frühestens in drei Stunden tun. Sobald die Stützen des Tischchens so weit abgetaut waren, dass sie unter dem darauf lastenden Gewicht des Opfers nachgaben und der herunterfallende Körper das Seil straffen würde.
Bis dahin würden die Beteiligten an diesem bedauernswerten ›Selbstmord‹ den Ort des grauenhaften Geschehens aber schon längst verlassen und sich für den Todeszeitpunkt ein hieb- und stichfestes Alibi besorgt haben.
Die verbleibenden Eisteile würden sich nach weiteren vier Stunden völlig aufgelöst und im Abfluss der Duschwanne verloren haben. Und nur eine Stunde später würden nicht einmal mehr nasse Flecken von der Tragödie zeugen.
Jetzt fehlte nur noch eines, um den ›Selbstmord‹ wirklich glaubhaft erscheinen und den perfekten Mord damit Wirklichkeit werden zu lassen. Ein Hocker oder etwas in der Art, auf den oder das der verwirrte Mann gestiegen sein musste, um sich die Schlinge um den Hals legen zu können. Ein Behelf, den er danach in selbstzerstörerischer Absicht umgestoßen hatte.
Das Anbringen dieses letzten Tüpfelchens auf dem i wollte sich Nummer 8 nicht nehmen lassen. Er hatte in der Diele einen wunderschön gearbeiteten Schirmständer aus massivem Holz gesehen. Wenn man den umdrehte, konnte man auf seiner Grundfläche durchaus stehen.
Der Mann mit der Nummer 8 auf dem Rücken verschwand und kam gleich darauf mit dem Schirmständer zurück. Ehe er ihn neben dem bereits schmelzenden, aber noch überaus stabilen Eistischchen so platzierte, dass es wie umgestoßen wirken musste, wischte er ihn noch gründlich mit dem Taschentuch ab. Sicher ist sicher, dachte er. Seine Fingerabdrücke waren wirklich das Letzte, was er auf der glatten Holzfläche zurücklassen wollte.
Aber jetzt war wirklich alles perfekt. Sichtlich zufrieden mit sich und seiner Arbeit blickte er sich um.
Dann wurde es plötzlich dunkel, und der Film war zu Ende.
Während das Licht im Saal wieder anging, begleitete höflicher Applaus die monotone Lautsprecherdurchsage »Das war der Beitrag von Startnummer 8, Jean Louis Bappier jun., genannt ›The Iceman‹ von der ADM Paris in der Kategorie ›Morde als Selbstmord getarnt‹. Bitte Ihre Wertungen. Die erste Note ist für die Idee.«
»Der Pariser Filiale der Todesagentur fällt auch nicht mehr allzu viel ein«, murrte eines der sieben Jurymitglieder, Thor Federgaard, ein weißhaariger älterer Herr, und hielt eine ›4‹ in die Höhe. »Wenn der Junior glaubt, es genüge, der Sohn eines prominenten Vaters zu sein, dann hat er sich
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