Kinder der Apokalypse
Familie und seine Kindheit gegangen war. Das alles war nun zwanzig Jahre her, aber es schien eine Ewigkeit zu sein.
Bleib nicht daran hängen. Gib der Vergangenheit keine Macht über dich.
Zufrieden, dass keine Gefahr bestand, warf er einen Blick auf die Anzeige der Solarbatterie. Full Power. Er konnte aufbrechen. Sonnenenergie hatte in einer Welt, in der das Klima so drastisch verändert war, dass die Sonne an 350 Tagen im Jahr schien, überall ihre Vorteile, vom Äquator bis nach Kanada. Wenn man den Mississippi überquerte, gab es nichts als Wüste, bis man zu den Bergen kam, und dann noch mehr, bis man fast die Küste erreichte. Die Ozonschicht war überwiegend weggebrannt, die Polareiskappen hatten sich so gut wie aufgelöst. Die Temperaturen waren allerorten gestiegen, und das Land, das einmal die Mitte der Vereinigten Staaten gebildet hatte, war verkrüppelt und ausgedorrt. Aber das war alles längst Geschichte, es hatte sich vor mehr als dreißig Jahren zugetragen. Und auch an diesem Tag würde es wieder viel Sonne geben, und morgen und in den nächsten paar Jahrhunderten.
Regen? Sechs bis acht Zoll im Jahr in den feuchten Gegenden.
Logan Tom fragte sich, ob irgendein Mensch jemals wieder etwas sehen würde, das an die alte Welt erinnerte. Vielleicht seine Nachfahren, Menschen, die durch die rauen Bedingungen der Gegenwart verändert worden waren. Aber die Welt seiner Eltern und Großeltern war ein für alle Mal verschwunden, so tot wie die Moral und die gesellschaftlichen Strukturen, die nicht im Stande gewesen waren, sie zusammenzuhalten. Niemand hätte das für möglich gehalten. Niemand hatte geglaubt, dass es passieren könnte.
Niemand außer den Rittern des Wortes, die erfolglos versucht hatten, diesen Alptraum zu verhindern. Männer und Frauen, die sich dem Ziel verschrieben hatten, die Magie zu bewahren, die alles im Gleichgewicht hielt, niemand außer diesen Helden und Heldinnen und einigen anderen, denen das wichtig war.
Es gab nämlich wirklich so etwas wie Magie in der Welt, noch aus der Zeit vor der Menschheit, aus der Zeit des Feenvolks, einer älteren Zivilisation. Magie, die alles durchdrang, die überall war, die über das hinausging, was man sehen oder auch nur verstehen konnte, die alles Leben symbiotisch miteinander verband.
Magie, die das Wort und die Leere gleichermaßen in ihre Gewalt zu bekommen versuchte.
Es war ein uralter Kampf, einer, der bis zum Ursprung der Menschheit zurückreichte. Es war ein Kampf um die Herrschaft zwischen Schattierungen von Licht und Dunkelheit, zwischen Ausprägungen von Gut und Böse. Logan Tom behauptete nicht, all diese Nuancen zu verstehen. Es genügte ihm zu wissen, dass es einen Unterschied gab zwischen dem Wunsch zu erhalten und der Entschlossenheit zu vernichten. Die Ritter, die Diener der Welt, versuchten, das Gleichgewicht der Magie in Schach zu halten; die Dämonen als Geschöpfe der Leere wollten es verändern. Es war eine schlichte Idee, eine, die man leicht akzeptieren konnte, wenn man an Gut und Böse glaubte – wie die meisten Menschen. Sie hatten schon immer daran geglaubt. Sie hatten aber auch immer wieder verdrängen wollen, dass das Gute und Böse auf der Welt aus ihnen selbst kam und nicht aus einer abstrakten Quelle. Es war leichter, beides Dingen zuzuschreiben, die größer waren als man selbst. Und genau diese Weigerung zu akzeptieren, dass es aus einem selbst kam, hatte schließlich zum Untergang ihrer Welt geführt.
Die Ritter und Dämonen verstanden diese Wahrheit und versuchten sie auf ihre Weise umzusetzen und zu nutzen. Beide entstammten der Menschheit, standen aber im Begriff, sich weiterzuentwickeln als ihre Ahnen. Bis zum Anfang vom Ende hatten die Menschen nicht einmal von ihrer Existenz gewusst. Viele wussten immer noch nichts von ihnen. Ritter und Dämonen waren der Stoff, aus dem Legenden und radikale Religionen entstanden. Niemand hatte je ihr Wirken erlebt; niemand hatte je den Unterschied zwischen ihnen und anderen Menschen erkannt. Erst als sie begonnen hatten, sich zu zeigen und für ihre Sache einzutreten, erst als das Gleichgewicht gekippt und die stetige, zielgerichtete Vernichtung der Menschheit Wirklichkeit geworden war, hatte man Kenntnis von ihnen genommen.
Wie schwer es ihnen doch selbst dann noch gefallen war, die Wahrheit zu erkennen, als sie ihnen von allen Seiten ins Gesicht starrte.
Selbst, als Seuchen schon eine halbe Milliarde Menschen getötet hatten, hatte es noch niemand geglaubt.
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