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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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Barbarei-Küste
    OKTOBER 1689
    Er war nicht einfach nur geweckt , sondern aus einem ungewöhnlich langen, sich ständig wiederholenden Traum gesprengt worden. Jetzt, da der Traum vorbei war, konnte er sich an kein einziges Detail erinnern. Er hatte jedoch das unbestimmte Gefühl, dass es viel um Rudern und Abkratzen gegangen war, und um wenig mehr; deshalb hatte er nichts dagegen, geweckt worden zu sein. Selbst wenn er in der Stimmung gewesen wäre , dagegen zu protestieren, hätte er doch die Klugheit besessen, den Mund zu halten und seine Verärgerung hinter der albernen Fassade des fröhlichen Landstreichers zu verbergen. Denn was ihn heute aufgeweckt hatte, war der mörderischste verfluchte Lärm, den er je gehört hatte – es war irgendeine gottähnliche Kraft, der man besser nicht mit Gebrüll oder Gezeter begegnete, jedenfalls nicht direkt.
    Kanonen wurden abgefeuert. Und wie viele und was für riesige! Ganze Batterien von Belagerungsgeschützen und Küstenartillerie gingen gleichzeitig los, in Reihen feuerten sie wellenartig an den Mauerkronen entlang. Er rollte unter dem mit Bernakelmuscheln übersäten Rumpf eines gestrandeten Schiffs hervor, wo er offensichtlich ein Mittagsschläfchen gehalten hatte, und fühlte sich durch die herabsengende Sonne gleichsam in den Sand gepresst. An dieser Stelle wäre ein kluger, in militärischen Angelegenheiten erfahrener Mann bäuchlings zum nächsten Flankenfeuer gekrochen. Aber der ganze Strand um ihn herum war mit behaarten Knöcheln und Füßen, die in Sandalen steckten, bepflanzt; außer ihm lag niemand flach auf dem Boden.
    Auf dem Rücken liegend blinzelte er nach oben, durch den feuchten, mit Sand panierten Saum eines Männerkleidungsstücks hindurch: eines wallenden, locker gewebten Gewandes, das den Körper
dessen, der es trug, golden erglühen ließ, so dass er selbst unmittelbar in das blinde Auge vom Penis dieses Mannes sehen konnte – der auf seltsame Weise verändert war. Zwangsläufig war er derjenige, der zuerst den Blick abwenden musste. Mit anderthalb Aufwärtsdrehungen rollte er zurück in die andere Richtung, und als er sich empört aufrappelte, vergaß er die Rundung des Schiffsrumpfs und schürfte sich den Schädel an einer Phalanx von Bernakelmuscheln auf. Dann schrie er, so laut er konnte, aber niemand hörte ihn. Nicht einmal er selber hörte sich. Er probierte es damit, sich die Ohren zuzuhalten und zu schreien, aber selbst da hörte er nichts als den Lärm der Kanonen.
    Höchste Zeit, sich darüber klar zu werden, was hier überhaupt los war, und die Situation in die Hand zu nehmen. Der Rumpf versperrte ihm die Sicht. Alles, was er außer ihm noch sehen konnte, war eine schäumende Bucht und ein steinerner Wellenbrecher. Er machte ein paar große Schritte ins Meer hinein, neugierig beäugt von dem Mann mit dem pilzköpfigen Schwanz, und wandte sich, als er knietief im Wasser stand, wieder um. Was er dann sah, machte es mehr oder weniger obligatorisch, dass er sofort auf den Arsch fiel.
    Diese Bucht war in Küstennähe mit knochenartigen Inselchen übersät. Auf einer von ihnen erhob sich eine kompakte, runde Festung, die (falls er sich in Sachen Architektur überhaupt ein Urteil erlauben durfte) unter großen Opfern von verzweifelt um ihr Leben fürchtenden Spaniern errichtet worden war. Und anscheinend waren diese Befürchtungen wohl begründet gewesen, denn oben auf dieser Festung wimmelte es von grünen Panieren mit silbernen Halbmonden. Die Festung wies drei Geschützreihen auf (genauer gesagt, sie bestand aus drei Geschützreihen), und jedes einzelne Geschütz sah aus und donnerte wie ein Sechzigpfünder, der eine Kanonenkugel vom Umfang einer Melone mehrere Meilen weit zu schleudern vermochte. Diese Festung war größtenteils in Pulverdampf gehüllt, aus dem hie und da lange Flammen herausstießen, so dass man hätte meinen können, ein Gewitter wüte in einem verschlossenen Fass.
    Ein weißer, steinerner Wellenbrecher verband diese Insel mit dem Festland, das er auf den ersten Blick nur als eine imposante Steinmauer wahrnahm, die vierzig oder fünfzig Fuß aus diesem schmalen, schlammigen Strandstreifen emporragte und mit einer Unmenge weiterer gewaltiger Kanonen bestückt war, von denen jede, kaum dass sie ausgewischt und nachgeladen war, sogleich wieder abgefeuert wurde.
    Auf der anderen Seite erhob sich eine weiße Stadt. Da er selbst am
Fuß einer ziemlich hohen Mauer stand, hätte er gar nicht erwartet, jenseits davon noch etwas

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