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Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)

Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sayo Masuda
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    Ein furchtsamer ausgesetzter Hund
    Kindermädchen Tsurukko
    Meine Kindheitserinnerungen setzen ein, als ich in Kyōhara, einer ländlichen Gegend nahe Shiojiri in der Präfektur Nagano, im Haus eines Großgrundbesitzers das Kind hütete. An meine frühste Kindheit erinnere ich mich kaum, aber dieser Haushalt war der eines reichen Grundbesitzers, der drei Knechte in seinen Diensten hielt und außerdem, zur Zeit der Reispflanzung zum Beispiel, noch ein Dutzend und mehr Landarbeiter beschäftigte. Der Hof war rings von dichtem Baumbestand umgeben, darunter mehrere große Maronenbäume.
    Wegen Kleinigkeiten fürchterlich gescholten, lebte ich in ständiger Angst vor menschlichen Wesen. In der Tat sehe ich, wenn ich an meine Kindheit denke, sofort das Bild vor mir, wie ich, ausgeschimpft und an einem Maronenbaum festgebunden, lauthals heule. Weiß der Kuckuck, wieso Maronenraupen so leicht runterfallen; jedenfalls ist unter den Bäumen immer alles voll Raupen, und besonders viele am Fuß der Bäume, wo sie dann anfangen, langsam den Baumstamm raufzukrabbeln. Ich ekle mich schrecklich vor Raupen, angebunden aber kann ich mich nicht rühren, auch wenn mir die Würmer am ganzen Leib herumkriechen. Ich heulte so, daß ich beinah ohnmächtig wurde. Damals war ich vielleicht sechs Jahre alt.
    Ich kam in jener Zeit nicht mal dazu nachzudenken, warum ich keine Eltern habe und warum nur immer ich gequält werde. Alles, was mir bewußt war, ist, daß Hunger weh tut und daß ich vor Menschen Angst habe. Ich lebte nur mitden Gedanken, wie ich mich so gut verstecken kann, daß mich niemand findet, und wie ich den Bauch am besten vollkriege. Um beim Bauchvollkriegen zu bleiben: Mit dem Essen war ich vollkommen von den Leuten abhängig. Unter der Anrichte stand ein schartiger Napf, in den ich die Reste von Reis und Suppe bekam. Wenn viel übrigblieb, war der Napf schon mal randvoll, aber wenn nichts übrigblieb, dann war's das. Wenn alle mit dem Essen fertig waren, sauste ich in die Küche und guckte in den Napf, und wenn was drin war, kauerte ich mich eilig unter die Anrichte und aß es auf.
    Mein Bett, ein Hanfsack, mit Stoffetzen vollgestopft, lag in einen Winkel im Abstellschuppen hingerollt, und darin schlief ich, indem ich mich mit den Füßen voran zwischen die Lumpen reinwühlte. Aber in der Nacht muß ich Pipi machen. Der Schuppen ist dunkel, und ich habe Angst. Und wie ich noch überlege, bin ich wieder eingeschlafen. Wenn ich reinmache, stört es mich nicht, weil es am Morgen noch warm ist, aber wenn ich am Abend wieder die Beine reinstrecke, ist es naßkalt. Da hast du Mist gemacht letzte Nacht, denke ich. Es ist so widerlich, daß ich überhaupt nicht einschlafen kann. Dann habe ich mir eine dunkle Stelle vor der Tür gesucht, mich wie ein Hund zusammengerollt und geschlafen. Der Winter in Shinano ist aber kalt, das ist gar nicht so einfach. Ich bin entschlossen, nicht mehr reinzupinkeln, doch wenn die Nacht kommt, habe ich wieder Angst. Ich habe also immer wieder draußen schlafen müssen. Kalt ist es nicht nur in der Nacht. Wenn mir beim Kinderhüten auch der Rücken warm ist, [ 1 ] die Füße sind so kalt, daß sie beinah festfrieren. Egal wie kalt es im Winter war, ich bekam keine Socken anzuziehen und hielt deshalb immer einen Fußauf den Oberschenkel des anderen Beines; die Füße abwechselnd, stand ich immerzu auf einem Bein. Von daher kommt mein Spitzname »Tsuru« (Kranich).
    Gequält haben mich nicht nur die Erwachsenen. Wenn ich mich dummerweise von Kindern erwischen lasse, tun die mir garantiert irgendwas an, was mir weh tut.
    »Mach mal 'nen Hund nach!« rufen sie, lassen mich auf allen Vieren kriechen, bellend herumrollen und mit dem Mund Brocken aufheben, die sich die Kinder aus dem Mund genommen und auf die Erde geworfen haben. Wenn ich nicht mitmachen will, trampeln sie mir auf die Füße, zwicken, treten und piesacken mich erbarmungslos. Weil ich aus Angst davor alles gemacht habe, was sie wollten, war ich für die Kinder ein schönes Spielzeug, glaube ich.
    Da ich völlig verlaust war, als ich herkam, hatte man mir den Kopf kahlgeschoren. Irgendwann fangen die Kinder an zu fragen:
    »He, du da, bist du ein Bub oder ein Mädchen?«
    Da habe ich den Po blankgemacht und es ihnen gezeigt. Da machen die sich dann einen Spaß draus, und wenn sie mich nur von weitem sehen, necken sie mich schon:
    »Streck den Po raus, streck den Po raus!«
    Mit sieben oder acht habe ich mich dann geschämt, obwohl mir

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